„Wir müssen alles dafür tun, Europa zu erhalten.“

Außenminister Sigmar Gabriel beschwörte ein gemeinsames Bekenntnis zu Europa und zur Heimat.

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Katja Mast verteidigt die Pläne zur Aufnahme von Koalitionsgesprächen

Mit ihrem Satz, dass sie am Sonntag der Aufnahme von Koalitionsgesprächen zustimmen werde, erzeugte Katja Mast, Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Pforzheim-Enzkreis, viel klatschende Zustimmung im Publikum. Obwohl die SPD eine historische Wahlschlappe eingefahren habe und sie es nach wie vor richtig fand, am Wahlabend eine Koalition auszuschließen, stünde sie zu den Sondierungsergebnissen. Koalitionen seien keine Liebesheirat, sondern Zweckbündnisse. In fünf Tagen der Sondierungsgespräche sei viel mehr herausgekommen, als in den Jamaika-Gesprächen zwischen CDU, FDP und Grünen.

Wichtig für sie seien, dass extrem viel für Familien herausgeholt worden sei. Die Anhebung des Rentenniveaus sei eine Forderung, von der keine Regierung später je zurückgehen könne. Auch die Gebührenfreiheit für Kita-Plätze und die damit verbundene Möglichkeit, dass der Bund hier Geld dazugebe, sei eine wichtige Errungenschaft der Sondierungen. „Es geht mit dem Sondierungspapier nicht darum, mehr Druck in die Gesellschaft hineinzubringen, sondern Druck herauszunehmen.“ Man könne daher aus ihrer Sicht in Koalitionsverhandlungen gehen.

Sigmar Gabriel als Verfechter eines gemeinsamen Europas

Das Medieninteresse am SPD-Neujahrsempfang der Kreisverbände Enzkreis und Pforzheim war im Uhlandbau in Mühlacker so respektabel, dass Außenminister Sigmar Gabriel, der der Einladung zum Neujahrsempfang gefolgt war, lächelnd auf die laufenden Fernsehkameras reagierte: „Soll ich eine Schlagzeile machen? Das könnte euch so passen!“

Doch auch ohne eine bundespolitisch interessante Schlagzeile vermochte es Gabriel, die Seele der Genossen zu streicheln. Und besonders die der Mühlackeraner, denn die historische Ikone Ulrich von Dürrmenz, Reichskanzler unter Kaiser Friedrich I., genannt Barbarossa, habe einst dabei geholfen, die Heimat von Barbarossa (in der einige Jahrhundert später Gabriel in Goslar geboren wurde) gegen Heinrich den Löwen zu verteidigen. Da sei er, Gabriel, den Mühlackeranern „tief dankbar“.

Das Thema Heimat war dann auch der Leitgedanke seiner rund dreiviertelstündigen Rede im voll besetzten Uhlandbau vor über 350 Personen. „Ich finde Heimat einen modernen Begriff“, so Gabriel. „In der modernen Welt wird das Kleine wichtiger und Heimat schafft einen Grund dafür. Deshalb müssen wir uns mehr um Städte und Gemeinden kümmern.“

„Wir leben in einer Zeit des großen Verdachts,“ so Gabriel, „wir verdächtigen alles – die Regierung, die Medien. Keiner traut dem anderen.“ Das sei erstaunlich, „weil wir eigentlich bessere Erfahrungen gemacht haben.“ Daher müsse man wieder beginnen, sich am Verhandlungstisch auszutauschen und Deutschland müsse dabei die Stimme des Friedens sein. Überhaupt, so Gabriel, sei Deutschland in den vergangenen Jahren ein „ziemlich ruhiges Land“ geblieben, für das man dankbar sein solle. „Der Erfolg der Großen Koalition war, dass wir das Schiff Europa auf Dauer ziemlich gut gesteuert haben.“

Gleichzeitig sei Deutschland „im Guten wie im Schlimmen“ mit Europa verbunden und es bringe nichts, sich von der Welt abzuschotten. Nirgendwo auf der Welt gäbe es eine Region, in der man so sicher und demokratisch leben könne, wie hier. „Meine Botschaft ist,“ so Gabriel, “ dass wir alles dafür tun müssen, Europa zu halten.“ Deutschland sei eine Exportnation und 60 % der Exporte gingen in andere europäische Länder. „Jede Investition dort ist eine Investition in unsere Arbeit.“

Dennoch, so Gabriel, nehme der Rest der Welt an Bedeutung zu, während wir kleiner würden, auch demografisch. „Unsere Kinder und Enkel werden nur dann eine Stimme haben, wenn es eine gemeinsam europäische ist.“ Deutschland sei das, was Amerika auf der Schwelle vom 19. in das 20. Jahrhundert gewesen sei, ein „Land der Sehnsucht“. Gabriel: „Es ist doch phantastisch, dass aus einem Land der Furcht nach dem 2. Weltkrieg ein Land der Sehnsucht für Millionen Menschen geworden ist.“ Nicht alle könne man aufnehmen, aber dennoch sei das bemerkenswert.

Kämpferische Rede von DGB-Landesvorsitzenden Kunzmann

Martin Kunzmann trat nach Sigmar Gabriel ans Pult und wählte kämpferische Worte. „Ich bin froh, in keinem Kanzlerwahlverein zu sein, sondern dass wir miteinander diskutieren können“, so Kunzmann, der mit diesem Statement kräftigen Applaus einsammelte. Es sei schwer für ihn nachvollziehbar, dass keiner über die CDU und Merkel diskutieren würde, sondern alle über die SPD.

Man solle einmal in Ruhe auf das Sondierungspapier schauen. Beispielsweise würde dort stehen, dass das Rentenniveau bis zum Jahr 2020 auf 48 % festgeschrieben würde, während „die anderen“ das Rentenniveau ursprünglich auf 44 % herabsenken wollten. Kunzmann warb daher für die Große Koalition: „Ich wünsche mir, dass es zu Koalitionsverhandlungen kommt. Alles andere ist unberechenbar.“ Die AfD sei „eine Schande für unser Land“, so Kunzmann. „Wenn wir Demokratie verteidigen wollen, müssen wir geschlossen dagegenhalten.“

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Besim Karadeniz (bka), Jahrgang 1975, ist Autor und Erfinder von PF-BITS seit 2016. Er ist beruflich selbstständiger Web-Berater und -Entwickler. Neben PF-BITS betreut er mehrere weitere Online-Projekte und kann auf einen inzwischen über 25-jährigen Online-Erfahrungsschatz zurückblicken. Neben der technischen Betreuung von PF-BITS schreibt er regelmäßig Artikel und Kolumnen.