Pforzheim hat eine große Tradition als Schmuck- und Uhrenstadt. Dennoch ändert sich in Sachen Industrie und Dienstleistung eine Menge. Mit diesem Artikel beginnt eine kleine Serie mit gewagten Blicken in die Zukunft. (Lesezeit: 5 Minuten)
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Es ist kein einfacher Wahlkampfspruch, wenn es heißt, Pforzheim befände sich im Aufbruch. Tatsächlich wartet auf die Region eine spannende Transformation, wie sie noch nie in der Größenordnung stattfand. Der Start einer kleinen Artikelserie.
Der geopolitische Blick auf die Region – die “Blaue Banane”
Ein besonders spektakulärer und sehr weiter Blick auf die Bedeutung der Region bedeute die wirtschaftspolitische Theorie der so genannten “Blauen Banane” des französischen Geographen Roger Brunet. Brunet formulierte 1989 mit einer Forschungsgruppe den Begriff, um einen Wirtschaftsraum darzustellen, in dem aus seiner Sicht der Pariser Ballungsraum zu weit weg von den wirtschaftlichen Zentren Europas sei.
Den Raum der “Blauen Banane” definierte Brunet nördlich entstehend in der westlichen Mitte Großbritanniens, der dann über das mittelenglische Industriezentrum, über den Londoner Ballungsraum, den Ärmelkanal überquerend über die Niederlande, Belgien, das Ruhrgebiet und und Süddeutschland nach Süden übergehend über die Alpen bis in den Norden Italiens reicht. Da dieser definierte Raum etwa in der Mitte einen deutlichen Knick nach Süden macht, hat er die Form einer Banane. Die Farbe Blau wurde unmittelbar nach Veröffentlichung des Konzeptes von Medien gewählt, da zum einen Blau die “europäische” Farbe – zum Beispiel auf der Flagge Europas – sei. Zum anderen sei der wirtschaftspolitisch bedeutsame Raum ein besonders arbeitssamer und man spräche von Arbeitern in der Fachsprache auch von “Blaukittel-Arbeitern”.
Zurück zur wirtschaftlichen Bedeutung der “Blauen Banane”: In diesem Raum, so Brunet, seien in einem verhältnismäßig engem Raum mit einer Länge von rund 1.500 Kilometern 20 der größten Wirtschaftszentren Europas mit über 111 Millionen Einwohnern angesiedelt, die grenzüberschreitend einen beträchtlichen Teil der industriellen Leistung Europas liefern. Und noch deutlicher: Dieser Raum in Mitteleuropa sei derjenige, der in Zukunft am stärksten wachsen dürfte, was sich seit 1989 auch so bewahrheitet hat. Nähere Informationen zur „Blauen Banane“ finden Sie auch in der deutschsprachigen Wikipedia.
Die “Blaue Banane” und der Großraum Karlsruhe-Stuttgart
Der Großraum Karlsruhe-Stuttgart liegt etwa in der Mitte der “Blauen Banane” und führt hier eine markante “Beule” aus, um den Großraum Stuttgart in den Wirtschaftsraum mit einzubeziehen. Die Region um Stuttgart zählt unter anderem aufgrund der global bedeutsamen Automobilindustrie und weiteren Industrien zu einem der wichtigsten regionalen Wirtschaftsraum in Süddeutschland, der darüber hinaus infrastrukturell gut angebunden ist.
Die wichtigsten Verbindungsachsen des Stuttgarter Raumes zur “Blauen Banane” sind via Autobahn und der Achse Heilbronn/Würzburg in Richtung Norden, via ICE-Schnellbahntrasse über die Achse Stuttgart/Mannheim in den Nordwesten und via Autobahn über die Achse Stuttgart/Karlsruhe in den Westen und in den Süden.
Und damit zielt der Fokus auch genau in den Ballungsraum hinein, den der Pforzheimer sehr gern selbst benennt, wenn er gefragt wird, wo Pforzheim eigentlich liegt: Zwischen Karlsruhe und Stuttgart. Ein Ballungsraum, den so gut wie jeder in Deutschland gedanklich recht genau verorten kann.
Die “Blaue Banane” und der “Blaue Stern”
Ein auf der “Blauen Banane” aufbauendes Modell ist der so genannte “Blaue Stern”, der die Auflösung des Ostblocks und die EU-Osterweiterung besser berücksichtigt. Hier geht man davon aus, dass es in die östlichen EU-Staaten Bewegungen gibt, die in ost- und nordeuropäische Richtung ausstrahlen und damit ein sternförmiges Gebilde darstellen.
Dennoch beinhaltet auch das Modell des “Blauen Sternes” das ursprüngliche Modell der “Blauen Banane”, ändert also für Mitteleuropa wenig grundsätzliches, sondern stellt eher eine Ergänzung dar.
Der zukünftige Ballungsraum Karlsruhe-Pforzheim-Stuttgart
Es fehlt nicht viel Phantasie zur Theorie, dass die heutigen Ballungsräume Karlsruhe und Stuttgart langfristig zusammenwachsen werden. Schon heute ist sehr anschaulich zu beobachten, wie der Stuttgarter Ballungsraum immer stärker ins Umland drängt. Die westliche Richtung hat dabei den großen Vorteil, dass sie hinter Leonberg und Renningen/Böblingen überaus scharf in eine ländliche Region übergeht, die wenig bebaut ist und dennoch eine hohe Wirtschaftskraft hat, beispielsweise durch gut ausgebildete Menschen, die bisher vor allem in die Region Stuttgart pendeln.
Zusätzlich existiert eine immer noch leistungsfähige Bahnverbindung und mit der bald vollständig durchgängig sechsspurigen Autobahn A8 eine Verkehrsinfrastruktur, die anderen Ballungsräumen in nichts nachsteht. Gerade die Autobahn A8 wird als wichtige Verkehrsachse deutlich an Wichtigkeit zunehmen, vor allem nach dem Ausbau des letzten 5 Kilometer langen Teilstücks zwischen Pforzheim-Süd und -Nord.
Wie sich unter anderem die “Blaue Banane” wirtschaftlich und gesellschaftlich auf Pforzheim auswirken könnte, gibt es im nächsten Artikel zu “Pforzheim 2040”.
Lesen Sie alle Artikel zu dieser kleinen Serie unter dem Stichwort “Pforzheim 2040”.