Schaut der geneigte Leser zur Zeit in Zeitungen und Online-Medien, dann kommt die Region gar nicht so unprominent weg. Der Kenner weiß – wir sind mitten im Sommerloch. Werden wir überleben?
(Lesezeit: 6 Minuten)Hinweis: Dies ist ein Archivbeitrag.
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Der Sommer ist grandios, die Hitze gewaltig und der Verstand wird weich. Eine gefährliche Mischung, vor allem in den Sommerferien. Da sind wir nun, im Tag Nr. 23 der baden-württembergischen Sommerferien und damit genau in der Halbzeit. Der Laden brummt.
Die Tierwelt spielt verrückt
Ob das Elend nun mit dem Karlsruher Eichhörnchen (zunächst “Karl-Heinz”, später dann “Pippilotta”) begann, das vor einigen Tagen laut Polizeibericht einen Menschen “verfolgte” (und dabei mit großer Sicherheit auf seine Weise um Hilfe bat), mit einem Siebenschläfer, der im östlichen Enzkreis im Begriff war, auf der Suche nach Fressbarem eine Küche zu verwüsten oder gar mit einem Wellensittich, der auf der Rod jemandem zugeflogen ist – wir wissen es nicht.
Die Natur spielt offenkundig so verrückt, dass die meisten dieser Mitteilungen es wert sind, im Ticker der Deutschen Presseagentur zu landen und dann in der gesamten Republik von sommerloch-dürstenden Notbesatzungen von Online-Redaktionen aufgesogen und verbraten (haha!) zu werden. Mit dem Ergebnis, dass mein Pforzheim-Ticker auf Google News eines morgens in dieser Woche sage und schreibe 120 Meldungen aufwies. Üblich sind da normalerweise 10 pro Nacht.
“Fremde” Bauarbeiter, die vermeintlich nicht lesen oder schreiben können
Die Pforzheimer Leserbriefspalten werden am morgigen Samstag wahrscheinlich überquellen vom Oeuvre von Hobby-Germanisten und -pädagogen, denn “Zone” schreibt man bekanntlicherweise “Z-O-N-E” und nicht “Z-N-O-E”, auch nicht in Hohenwart. Das wissen wir jetzt alle und ich bin dankbar dafür, dass die Auffrischung meiner Rechtschreibkenntnisse in diesem Aspekt wiederum mit rund 60 Tickermeldungen gesichert werden konnte. Da schaut man jetzt in den 30er-Zonen Pforzheims – und von denen haben wir viele – mit ganz anderem Blick auf die Straßenmarkierungen. Vielleicht wartet ja der Hauptgewinn mit ganz eigenen 15 Minuten Ruhm.
Dass dabei die Grenzen zwischen “einheimischem Bauarbeiter”, “auswärtigem Bauarbeiter” und “fremdländischem Bauarbeiter” dezent vermischen, letzteres vor allem in der immer etwas schrilleren Boulevardpresse – geschenkt. Es ist schon schlimm genug, dass das schwer getroffene Hohenwart in vielen Meldungen mit “bei Stuttgart” eingeführt wurde. Dem Badener rollt es da die Fußnägel/Krallen auf.
Was man in Pforzheim aus Honigtau machen kann
Honigtau ist ein spannendes Naturprodukt. Eigentlich ist es ja eine Ausscheidung verschiedener Laustiere, dafür aber Nahrung vieler Insekten und auch Bestandteil besonderer und teurer Honigsorten, wenn ein Imker das Glück hat, Bienen unter seinen Völkern zu haben, die sich auf Honigtau spezialisieren und diesen sammeln.
Zum Sammeln von Honigtau bestünde in der Pforzheimer Fußgängerzone an den dort gepflanzten Linden genügend Gelegenheit, denn dort “tränt” es im Sommer von den Bäumen. Das merkt der Flaneur, wenn er unter den Bäumen sitzt, länger an seinem Smartphone herumspielt und vermeintliche Speichelflecken bemerkt. Das sind also keine Speichelflecken, sondern umgangssprachlich gesehen echtes Läuse-A-a.
Nun ist das gerade bei den Linden in der Fußgängerzone wahrlich keine neue Erscheinung, sondern seit Jahren so und dann auch nur wenige Wochen im Jahr. Zur Honigtau-Hochzeit wird es dann unter den Bäumen klebrig, was den ein oder anderen Pforzheimer wiederum zur eigentlich falschen Feststellung verleiten lässt, die Fußgängerzone sei angeblich so dreckig.
Nun bekommt die Pforzheimer Fußgängerzone ein neues Aussehen, das praktischerweise von Bundesmitteln so gefördert wird, dass es die Stadt am Ende nur einen kleineren, sechsstelligen Betrag kosten wird, wenn der Zeitplan bis Ende des Jahres eingehalten wird.
Die Fußgängerzone konnte ein Refreshment sehr gut gebrauchen, was erstaunlicherweise nicht alle so sahen. Beispielsweise Teile der Gemeinderatsfraktion der FDP/Freien Wähler, die diese Gelder lieber woanders investiert gesehen hätten (was aufgrund der Förderbestimmungen so gar nicht gegangen wäre).
Nun also wird die Fußgängerzone trotzdem umgebaut, das erste Teilstück sieht wirklich gelungen aus und erfreut die Pforzheimerin und den Pforzheimer (was wirklich etwas zu bedeuten hat!).
Und siehe da – die obige Gemeinderatsfraktion ist nun flugs die Kümmerin und sorgt sich um den neuen Belag, der hoffentlich imprägniert sei und eine einfache Reinigung ermögliche, nicht dass am Ende die Reinigungskosten explodieren. Ja, sagt, Bürgermeisterin Schüssler, der Belag sei imprägniert und eine Reinigung auch schon erfolgreich getestet. Nein, mutmaßt die sendungsbewusste Gemeinderatsfraktion in einer weiteren hitzigen Mitteilung ohne jeglichen Absatz und unterstellt der Bürgermeisterin “Prosa”, Exkurse wie aus einem “Grundschulbuch für Heimat- und Sachkunde” und sogar, dass die Bürgermeisterin die Anfrage nach den zukünftigen Reinigungskosten gar nicht beantworten wolle. Um was ging es noch einmal und kostet die Reinigung nicht heute auch schon Geld? Egal, wir haben nur noch 23 Tage Sommerloch.
Immerhin haben die geschätzten Kollegen des Pforzheimer Kuriers die eigentliche Botschaft hinter den Mitteilungen sehr gut verstanden und reagieren: Sie übernehmen zwar die Pressemitteilungen der FDP/FW-Gemeinderatsfraktionen, schreiben aber nicht den Namen der Fraktion dazu, sondern sprechen von “einer Gemeinderatsfraktion”. Das spricht für eine gut funktionierende Klimaanlage in den Redaktionsräumen.
Stichwort Sommerferien-Halbzeit: Am Samstag ist DFB-Pokalspiel in Pforzheim, das zentrale Lokalblatt hyperventiliert und endlich einmal sind wir wieder wer! Das können ein paar Pforzheimer live im Holzhof anschauen, der Rest im Pay-TV, harte Jungs vielleicht auch noch partiell vom Witzenmann-Parkhaus neben dem Stadion, wenn der DFB nicht auch dieses Schlupfloch gefunden hat und stopft.
Noch 23 Tage.