Stadträte wollen mit ihrem Flyer, dass die Bevölkerung "die ganze Wahrheit" erfahren solle.
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Zur vor einigen Tagen gestarteten Unterschriftenaktion des „Aktionsbündnisses Pro Bäder, Schulen, Kitas – statt Innenstadt-Ost“ für einen Bürgerentscheid haben die FDP-Stadträte Rülke und Wiskandt heute angekündigt, eine „Informationskampagne zum Projekt“ zu starten. Man habe 100.000 Exemplare eines Faltblattes mit Logo der FDP drucken lassen, der „flächendeckend“ in Pforzheim verteilt werden soll.
In dem Faltblatt gehe es Rülke und Wiskandt darum, „die durch die Nichtöffentlichkeit des Verfahrens unbekannten Begleiterscheinungen des Projektes der Bevölkerung nahe zu bringen“. Insbesondere legen die beiden FDP-Stadträte Wert darauf, dass die Bevölkerung „endlich erfahre“, welch „exorbitante Kosten auf den Steuerzahler durch das Rückmietungsmodell für die geplanten Verwaltungsflächen für die Stadtverwaltung auf den Steuerzahler zukomme“.
Bekannte Forderungen in kruden Argumentationen
Im Faltblatt wird unter anderem die Schließung des Schlossbergs für den Durchgangsverkehr thematisiert und versucht, daraus eine recht krude Verbindung zum Autobahnausbau zu schaffen, obwohl der Schlossberg gar keine offizielle Umleitungsstrecke ist.
„12.500 Fahrzeuge passieren täglich den Pforzheimer Schlossberg. Wegen diesem Projekt soll er für den motorisierten Verkehr gesperrt werden. Gleichzeitig wird nun jahrelang die A 8 bei Niefern ausgebaut mit dem entsprechenden Autobahn-Ausweichverkehr. Versinkt Pforzheim dann im Verkehrschaos?“
Ebenso wird der Abriss des Technischen Rathauses im Faltblatt thematisiert. Sein Abriss, so der Text, sei nur vertretbar, „wenn eine Sanierung wirtschaftlich für den Steuerzahler unzumutbar ist“. Die Stadt habe im November 2016 die Sanierungskosten auf 24,1 Millionen Euro taxiert, was im Text zur Fragestellung führt: „Ist eine Sanierung wirklich unwirtschaftlich?“
Kommentar: Eine Sammlung von Vergleichen zwischen Äpfel und Birnen
Auffallend schlecht dargestellt ist im besagten Faltblatt, dass mit hohen Zahlen jongliert wird, die Kosten aber nicht auf die Zeiträume und Verhältnisse abgebildet werden, für die sie eigentlich geplant sind. Rechnet man diese nämlich der Sorgfalt halber herunter, ergeben sich deutlich nüchterne Zahlen.
Tatsächlich waren in der Gemeinderatsvorlage Q 0833 aus dem Jahre 2016 folgende Zusammenhänge dargestellt:
- Tatsächlich wurden die Sanierungskosten des Technischen Rathauses zum damaligen Zeitpunkt auf 24,1 Millionen Euro taxiert.
- Die Mietkosten für 4.500 Quadratmetern Fläche, die der Investor des Projekts Innenstadt-Ost der Stadt vermieten würde, sofern er zuvor die Erlaubnis bekäme, das Technische Rathaus abzureißen und durch einen eigenen Bau zu ersetzen, lägen bei 11,7 Millionen Euro in 30 Jahren, also jährlich bei 390.000 Euro und einem daraus folgenden Jahresquadratmetermietpreis von 87 Euro.
- In der besagten „Kostenexplosion“, die das Aktionsbündnis und Stadtrat Rülke als Anlass für ihr Bürgerbegehren anführen, wird eine Zahl von 42,6 Millionen Euro als Mietsumme für 30 Jahren angeführt, eine augenscheinliche Vervierfachung der Ausgaben. Diese Mietzahlen seien aber, so Oberbürgermeister Peter Boch, für eine deutlich größere Mietfläche von 6.000 Quadratmetern angesetzt, die die Stadt benötigen würde. Zwar wären die Mietkosten pro Jahr daher zwar deutlich höher bei 1,42 Millionen Euro, der Jahresquadratmeterpreis aber bei 237 Euro und damit deutlich weniger als eine Verdreifachung. Ein monatlicher Quadratmeterpreis von rund 20 Euro für Gewerbeflächen sind zwar durchaus am oberen Limit, in zentraler Lage in einem Neubau allerdings keineswegs utopisch, vor allem langfristig nicht.
Zu berücksichtigen ist bei all den Argumentationen auch noch folgendes:
- Generell besteht bei und nach der Sanierung eines Altbaus ein erhöhtes Kostenrisiko durch unvorhersehbare Umstände, was auch in der ursprünglichen Gemeinderatsvorlage Q 0833 ausdrücklich erwähnt wird.
- Eine Anmietung von Flächen bedeutet, dass der Mieter – in diesem Fall die Stadt – keine Rückstellungen z.B. für zukünftige Sanierungen bilden muss.
- Die zusätzlich berücksichtigten Mietflächen von 1.500 Quadratmetern würden auch im Falle einer Anmietung außerhalb eines Neubaus Miet- und Nebenkosten erzeugen, die zusätzlich durch eine räumliche Trennung noch mit vermutlich nicht unerheblichen Infrastrukturkosten daherkommen dürften.
- Ebenfalls zu berücksichtigen sind beim Thema der Rathausflächen die Rahmenumstände und Entwicklungsmöglichkeiten des gesamten Projekts Innenstadt-Ost.