Gastbeitrag von Nicole Gaidetzka, Kandidatin der Unabhängigen Bürger und seit vielen Jahren Buckenberg-Bewohnerin. (Lesezeit: 7 Minuten)
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Nicole Gaidetzka wohnt seit vielen Jahren auf dem Buckenberg und tritt zur Kommunalwahl 2019 für den Pforzheimer Gemeinderat auf der Liste der Unabhängigen Bürger an. Sie nahm an der Stadtteilbegehung der CDU und SPD am Dienstag teil und hat dazu einen längeren Kommentar auf ihrem Facebook-Profil geschrieben. Dieser Kommentar ist Basis ihres Gastbeitrags für PF-BITS.
Gastbeitrag von Nicole Gaidetzka
Ich wohne, mit einer kleinen Pause, schon mein ganzes Leben auf dem Buckenberg, somit etwa 30 Jahre. Ja, er hatte seine schwierige Zeit, aber so schlimm wie gerne mal dargestellt, speziell heute, war es dann doch nicht.Nachdem was ich heute so hören durfte, müsste ein Außenstehender meinen, in den 90ern brannten an allen Ecken Autos, jeden Tag wäre jemand überfallen worden und der Haidach war eigentlich nur ein Bereich, in den sich stark bewaffnete Spezialkräfte der Polizei rein trauten. Ja, es gab Ecken, die man gemieden hat und ja, die Polizei ist in dieser Zeit mit Verstärkung der Bereitschaftspolizei Streife gefahren.
Aber ein wirkliches Gefühl der Angst, daran konnte sich keiner der anwesenden Anwohner, die schon bis zu 60 Jahren hier wohnen, erinnern. Und dass dieser Stadtteil das geworden ist, was er heute darstellt, ist der Vernetzung von Kirche, Vereinen, Politik, Streetworkern und der Polizei zu verdanken, an dem der FSV Buckenberg seinen Teil beigetragen hat, längst aber nicht allein beteiligt war. Und heute? Heute muss ich sagen, dass ich als Frau alleine lieber nachts durch unseren Stadtteil laufe, als abends durch die Innenstadt.
Auch hat sich das soziale Umfeld hier oben stark geändert. Die einstigen Sozialwohnungen sind heute in großen Teilen Eigentumswohnungen. Und der Tiergarten wäre sicherlich nicht der Erfolg geworden, wäre der Haidach in dem Zustand, wie er von Uwe Hück beschrieben wurde, bei dem man aufpassen müsse, nicht in die oben genannten Zustände zurück zu fallen, die es, so wie schon erwähnt, in dieser Form gar nicht gab.
Auf dem Buckenberg und im Haidach bezahlbaren Wohnraum zu finden, etwa für eine alleinstehende Mutter mit Einkommen knapp über dem Wohnberechtigungsschein, ist nahezu aussichtslos. Sind solche Wohngebiete als Hort der Verbrechens bekannt?
Wo wir gerade beim Thema Wohnungen sind – ich bin gespannt, wie Herr Hück den vielen Eigentümergemeinschaften erklärt, dass sie ihre Häuser dringend in Schuss bringen müssten, was energetische Sanierung oder Dächer anbelangt. Wohnt man hier oben, sieht man nämlich, dass in den letzten Jahren in den Wohnblöcken tatsächlich sehr viel geschehen ist und immer noch geschieht – auch ohne Dafürtun des Herrn Hück. Was sicherlich bedenklich ist, ist die weitere Umwandlung von Wohnraum in Eigentumswohnungen einiger Wohnbaugenossenschaften. Hierdurch gehen tatsächlich weitere bisher frei verfügbare Wohnungen des Marktes verloren. Hier muss tatsächlich auf politischer Ebene hingeschaut werden, wie dem begegnet werden kann.
Spannend war zu erleben, wie Herr Hück während der Stadtteilbegehung den Jugendraum des Bürgerhaus Buckenberg-Haidach mehr oder weniger überfallartig betreten hat. Sehr zum Unmut der Leitung des Bürgerhauses, die sofort das nicht abgesprochene Filmen und Fotografieren unterband. Dann noch schön den Zustand der Tennisschläger monieren, statt einfach 50 Euro auf den Tisch zu legen und zu sagen „Da, kauft zwei neue“. So sind die Schläger immer noch schlecht und den Jugendlichen nicht geholfen. Aber Hauptsache lautes Auftreten.
Was richtig war, ist die Aussage, dass heute mehr russisch auf dem Haidach gesprochen wird, als es früher der Fall war. Wie Herr Hück das alleine mit seinem FSV lösen will, wird spannend zu erleben sein. Der Verein ist sicherlich der größte hier und leistet unschätzbare Arbeit in Sachen Integration, aber er ist nun mal nicht der Stadtteil selbst.
Schön auch, dass er der Meinung ist, dass man den Gemeinderat „schließen könne“, würden SPD und CDU nicht wieder die Taktgeber, und dass diese weitere Zersplitterung dem Gremium nicht gut täte. War er es nicht derjenige, der mit eigener Liste antreten wollte, zur Konkurrenz der SPD? Und wie hat er da den hier engagierten Mitgliedern der Partei, etwa seine Kreisvorsitzenden Annkathrin Wulff, vor den Kopf gestoßen, in dem er den Platz 1 für sich beanspruchte? Der Ausschlag im politischen Seismographen wird sich am 26. Mai bemerkbar machen.
Somit wurde der Stadtteil auf drei wesentliche Dinge reduziert:
1. Die überspitzten Zustände der 90er,
2. den FSV Buckenberg,
3. zu guter Schluss noch auf die AfD Wählerschaft.Ob man es aber schafft, Wähler dieser Partei zurück zu gewinnen, wenn man den Stadtteil in der Presse so negativ darstellt, speziell wenn nicht nur die lokalen Vertreter anwesend sind, sondern mit der Deutschen Presseagentur sogar bundesweit agierende? Tut man dem Stadtteil Gutes damit? Wie wird sich etwa ein Ingenieur, der bei Porsche in Weissach arbeitet, entscheiden, der vielleicht damit liebäugelte, sich im Tiergarten ein Haus zu bauen, wenn doch das Umfeld laut Zeitungsbericht kurz vor dem sozialen Zusammenbruch steht?
Schade, dass bei diesem „Stadtrundgang“ die Themen, die den Anwohnern selbst unter den Nägeln brennen dürften, zu kurz kamen. Eigentlich war es unterm Strich gesehen nur eine Straßenbegehung. Sie kamen nämlich gar nicht erst zu Wort. Wie geht es etwa mit dem evangelischen Kindergarten im Haidach weiter, bei dem ja die Schließung im Raum steht? Wie mit den leider zur Unsitte gewordenen Autorennen im Strietweg? Wie mit der Verkehrssituation, wenn der Haidach weiter verdichtet werden sollte? Wie mit dem knappen Parkraum? Und so könnte man weiter fortfahren.
So habe ich es bei anderen Stadteilbegehungen mit den örtlichen Bürgervereinen kennengelernt: Seinen Stadtteil nicht schlecht zu machen, um sich selbst als Heilsbringer zu erhöhen, sondern auf die vorhandenen Knackpunkte zu kommen. Schade, dass hier Waldemar Meser nicht mehr zu Wort kommen konnte; der Mann, der mit seiner mehrfach hierfür ausgezeichneten Elterninitiative mit daran gearbeitet hat, den Buckenberg/Haidach zu dem zu machen was er heute ist.
Denn Meser kennt diese Knackpunkte. Auch wenn er es eigentlich gut gemeint hat und hoffte, die Öffentlichkeit zu erreichen, die ohne den anwesenden Hück nicht entstanden wäre. Die Kandidaten der zur Wahl stehenden Parteien und Wählergemeinschaften, die hier oben wohnen – und dazu gehöre ich für die Unabhängigen Bürger wie auch Bruno Biechele, der Mitbewerber der Freien Wähler – kennen sie auch.
Denn uns liegt, so wie Waldemar Meser auch, der Stadtteil und somit unsere Heimat wirklich am Herzen, ohne großes Brimborium und ein größeres Schlechtermachen, als es tatsächlich ist.
Bürgernähe muss nicht laut, sie muss aber konstant sein und nicht nur alle fünf Jahre zur Wahl stattfinden. Würde dieses Prinzip mehr berücksichtigt, könnten sich die Parteien von Herrn Hück und Herrn Meser vielleicht auch wieder Volksparteien mit entsprechenden Wahlergebnissen nennen.