Der Pforzheimer Gruschtelmarkt als ein Schatten seiner selbst

Die Idylle auf dem Pforzheimer Gruschtelmarkt 2019 im Enzauenpark trügt etwas
Die Idylle auf dem Pforzheimer Gruschtelmarkt 2019 im Enzauenpark trügt etwas

Schöner als in den Enzauenpark kann man einen Flohmarkt vermutlich nicht in die Landschaft setzen - das aber war auch schon weitgehend alles.

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Schon die Ankündigung der Stadt für einen kurzfristigen Gruschtelmarkt-Ortswechsel las sich für Insider eher wie ein Notfall. Und tatsächlich war zumindest dem Gruschtelmarkt-Samstag kaum etwas positives abzugewinnen. Von zehn befragten Besuchern waren glatt zehn negative Stimmen zu hören.

Etwa 80 Stände (2018 rund viermal so viele) hatten sich auf zwei der fünf eingerichteten Bahnen auf der Wiese hinter dem Enzauenbiergarten aufgebaut und boten ihre „Gruscht“ feil. Sehr viele Verkäufer waren dabei aus dem Raum Pforzheim, überregionale Verkäufer, meist von hochwertigeren Antik-Gegenständen oder größeren Sammlungen, waren hingegen nur wenige vor Ort. Das, so ein professioneller „Gruschtler“, der in Pforzheim wohnt ist, war auch kaum zu bewerkstelligen, denn für professionelle Verkäufer ist der Flohmarkt-Kalender weitgehend fest eingetaktet und erlaubt nur wenig Spontanität.

Leere Bahnen auf dem Pforzheimer Gruschtelmarkt 2019
Leere Bahnen auf dem Pforzheimer Gruschtelmarkt 2019

Zumindest in Sachen Anlieferung zeigte sich der Standort am Enzauenpark deutlich besser, als in der Innenstadt. Das Konzept, dass Verkäufer ihre Tische und Verkaufsgegenstände praktisch bis direkt an ihren Verkaufsplatz fahren konnten, wurde positiv aufgenommen. Sicher auch aufgrund der wenigen Verkäufer blieb das große Verkehrschaos hinter dem Heizkraftwerk aus.

Im Gegenzug zeigte sich jedoch, dass für Besucherfamilien, die mit dem Auto anfuhren, ein sicherer Parkplatz erst am 600 Meter entfernten Parkplatz am Kohlebunker zu finden war. Das Kaufland-Parkhaus war für Gruschtelmarkt-Besucher tabu. Wer mit dem Bus kam, hatte den Weg von der Haltestelle Gaswerk bis zum Biergarten vor sich, immerhin auch ein Weg von rund einem halben Kilometer. Wohl auch deshalb gab es nur wenige ältere Besucher.

Ebenfalls bedauert wurde von vielen Verkäufern, dass der Nachtflohmarkt ausfiel und darüber hinaus das Campieren und Übernachten an den Ständen nicht erlaubt ist. Zwar gestattete die Eventorganisation, dass Tische und Verkaufswaren über Nacht vor Ort bleiben können, allerdings war keine Bewachung vorgesehen, was für praktisch alle Verkäufer inakzeptabel ist. Daher kündigten die meisten Verkäufer an, schon am Samstagabend abzubauen und den Gruschtelmarkt-Sonntag auszulassen. Dafür waren ausnahmslos alle Verkäufer mit den Standgebühren von 6 Euro pro laufendem Meter Verkaufsfläche zufrieden, so dass vor allem Kinder und Familien ihre Verkaufstalente zeigen konnten.

Meinung: Ohne Konzept stirbt der Gruschtelmarkt

80 Stände auf dem Pforzheimer Gruschtelmarkt, der lange Zeit zu den größten und etabliertesten Flohmärkten in Süddeutschland gehörte – das ist peinlich. Ebenso der Ansatz, den Gruschtelmarkt nicht in der Innenstadt abzuhalten, sondern am Stadtrand, im Schatten eines Bierfestes. Noch deutlicher kann man eine echte Pforzheimer Tradition nicht zu Grabe tragen.

Daher sollten sich Stadtverwaltung und WSP wirklich einmal fragen, ob es nicht doch sinnvoller ist, den Gruschtelmarkt wieder dauerhaft in die Stadt zu holen, und zwar „richtig“ in die Innenstadt rund um den Marktplatz. Nur hier gibt es eine Fußgängerzone und nur hier ist auch die Nahverkehrsanbindung so, wie es sich für einen Gruschtelmarkt gehört. Und auch die Frage, ob die Stadt bzw. WSP nicht wieder selbst als Organisator auftreten könnte, sollte diskutiert werden. Auch wenn in den letzten städtisch organisierten Gruschtelmärkten nicht alles rund lief und es erheblichen Diskussionsbedarf gab – so traurig wie in diesem Jahr kann man es eigentlich nicht nochmal bringen.

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Besim Karadeniz (bka), Jahrgang 1975, ist Autor und Erfinder von PF-BITS seit 2016. Er ist beruflich selbstständiger Web-Berater und -Entwickler. Neben PF-BITS betreut er mehrere weitere Online-Projekte und kann auf einen inzwischen über 25-jährigen Online-Erfahrungsschatz zurückblicken. Neben der technischen Betreuung von PF-BITS schreibt er regelmäßig Artikel und Kolumnen.