2.000 Gegendemonstranten protestieren weitgehend friedlich gegen Aufmarsch von 80 Rechtextremen in Pforzheim.
(Lesezeit: 4 Minuten)Hinweis: Dies ist ein Archivbeitrag.
Dieser Beitrag ist im Archiv von PF-BITS. Hier eventuell angegebene Telefon- und Kontaktmöglichkeiten sowie Terminangaben sind möglicherweise nicht mehr aktuell.
„Wo muss ich denn no? So ein Affentheater wegen ein paar Verrückten“, stammelte ein reichlich derangiert wirkender älterer Herr, der sich gegen 12 Uhr zu Fuß mitsamt Koffer den Schlossberg hochgequält hatte und offenkundig zum Hauptbahnhof wollte. Zu diesem Zeitpunkt war der Bahnhofsvorplatz schon dicht. Links am Hauptbahnhof bezogen die ersten Gegendemonstranten Stellung, in der Mitte am ZOB sammelten sich die Anhänger der „Die Rechte“ für ihre Kundgebung und rechts auf der Luisenstraße sammelten sich die Teilnehmer der Demonstration des „Antirassistischen Netzwerks“.
Dieses Aufeinandertreffen, das von starken Polizeikräften mit großen Sicherheitsabständen kontrolliert wurde, führte dann zunächst einmal zu einem regelrechten „Akustikkrieg“ zwischen zwei Lautsprecherwagen und laut rufenden Demonstranten. Während beide Gegendemonstrationen pünktlich um 11 respektive um 13 Uhr starteten, verspätete sich der eigentliche Demonstrationszug der „Die Rechte“ um gut zwei Stunden. Nach Aussage der Polizei waren einige Teilnehmer in einem Bus und per Bahn unterwegs und kamen zu spät. Schon nach wenigen Metern auf dem Schloßberg wurden die Demonstranten linksläufig von einer Delegation des Rates für Religionen Pforzheim empfangen, die ein Plakat „Nächstenliebe leben, Vielfalt schützen“ zeigten.
Während die Rechten mit rund 80 Demonstranten Stellung bezogen, kamen bei den beiden Gegendemonstrationen nach Behördenangaben „bis zu 700 Personen“ zusammen. Mitinitiator Gerhard Baral verneint diese Schätzung vehement gegenüber PF-BITS: „Wir hatten zwei Personen mit Zählern in der Zerrennerstraße stehen gehabt – ein Zähler hatte 1.996, der andere 2.011 Personen gezählt.“ In der zweiten Zählung am Blumenhof waren es nach dem ersten Regenschauer immerhin noch 1.650 respektive 1.701 gezählte Personen, die dann zur Abschlusskundgebung an die Nordspitze der Bahnhofstraße zogen.
Auf der Abschlusskundgebung sprachen unter anderem Dekanin Christiane Quincke, Gerhard Baral und der DGB-Landesvorsitzende Martin Kunzmann. Untermalt wurde die Kundgebung von Musik von Dieter Huthmacher und Hans Draskowitsch.
Polizei zieht positives Resümee
Einen weitgehend ruhigen Verlauf meldete die Polizei in ihrer Abschlussmitteilung. Abgesichert wurden die gesamten Veranstaltungen von über 1.000 Polizeikräften, darunter berittene Polizei, Hundestaffeln, zwei (nicht zum Einsatz gekommenen) Wasserwerfern und eines Polizeihubschraubers.
Eine betrunkene Person musste im Vorfeld der Demonstrationen am Bahnhof nach einem versuchten tätlichen Angriff auf einen Polizisten in Gewahrsam genommen werden. Kurz nach 14 Uhr versuchten zehn bis zwanzig Gegendemonstranten im Bereich der Jägerpassage ein Absperrgitter zu überwinden und wurden mit Einsatz von Tränengas daran gehindert. Im Bereich der Emma-Jäger-Straße hatten sich einige Gegendemonstranten nach Angaben der Polizei vermummt und deren Versuch, auf die Route der abgesperrten Aufzugsstrecke, wurde verhindert.
„Uns ist es gelungen, ein Übergreifen der zum Teil unfriedlichen Versammlungsteilnehmer zu verhindern. Vor allem aber bin ich darüber erleichtert, dass niemand meiner Einsatzkräfte verletzt wurde“, so Polizeipräsidentin und Einsatzleiterin Caren Denner.
Ebenfalls zufrieden mit dem Verlauf der Versammlungen zeigten sich Pforzheims Oberbürgermeister Peter Boch und Erster Bürgermeister Dirk Büscher: „Wir möchten uns bei allen beteiligten Einsatzkräften, insbesondere bei der Polizei, ausdrücklich für die hervorragende Zusammenarbeit bedanken.“ Dass dieser Tag größtenteils friedlich verlaufen sei, werteten Boch und Büscher als Bestätigung für die erarbeitete Strategie. Oberbürgermeister Boch resümierte darüber hinaus: „Gleichzeitig konnten wir gemeinsam mit der Volksmission auf dem Marktplatz unser Europäisches Kinderfest feiern, bei dem alle Besucherinnen und Besucher Frieden und Völkerverständigung als europäische Werte gelebt haben.“