Lage in den Krankenhäusern ist angespannt. In den nächsten 14 Tagen deutliche Steigerung der krankenhauspflichtigen Fälle erwartet.
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In einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz hat heute Landrat Bastian Rosenau und Dr. Brigitte Joggerst vom Gesundheitsamt einen Überblick darüber gegeben, wie es derzeit hinter den Kulissen der Corona-Pandemie und der derzeitigen zweiten Welle auf Seiten des Gesundheitsamtes, Arztpraxen und Krankenhäusern der Region aussieht.
„Wir rufen jeden an, der positiv getestet ist“, so Dr. Brigitte Joggerst, Leiterin des Gesundheitsamtes Pforzheim-Enzkreis. Die Aufgabe des Gesundheitsamtes sei es, die Verbreitung der Krankheit zu verhindern. Das gelingt jedoch immer weniger, da die Fallzahlen seit Anfang Oktober immer weiter steigen. Derzeit beobachte man eine Verdopplung der Fallzahlen innerhalb einer Woche, was Teil des exponentiellen Wachstums ist. Man könne daher der Aufgabe, Infektketten zu unterbrechen, nicht mehr in Gänze nachkommen, so Joggerst.
Ebenfalls seit Monaten an der Belastungsgrenze sind Hausarztpraxen, die die Pforzheimer Hausärztin und Vertreterin der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth berichtet. „Momentan halten wir den Kliniken noch den Rücken frei“, so Buhlinger-Göpfarth, doch die gestiegenen Fallzahlen und die rund 85 % ambulanten Behandlungen von COVID-19-Patienten brächten viele Corona-Praxen an den Anschlag. Sie plädiert darauf, bei akuten Symptomen zunächst zu Hause zu bleiben und sich telefonisch an die Hausarztpraxis zu wenden. Dort werde man dann an eine Schwerpunktpraxis oder Fieberambulanz verwiesen. Auch sei nicht immer sofort ein Test notwendig.
Die Infektionskurve so flach wie möglich zu halten, ist auch ein Aufruf von Dr. med. Stefan Pfeiffer, Ärztlicher Direktor der medizinischen Klinik in den RKH-Kliniken Mühlacker. Da Krankenhäuser in der Reihenfolge der Behandlungen das letzte Glied sind, trifft das Personalproblem vor allem Krankenhäuser, da besonders die Pflege von COVID-19-Patienten extrem aufwendig und langwierig sei. Von allen COVID-19-Patienten müssen rund 20 % im Krankenhaus behandelt werden und von diesen 20 % wiederum 20 % intensivmedizinisch.
Ebenfalls viel gelernt aus der ersten Corona-Welle hat man am Helios Klinikum Pforzheim, wie Dr. Felix Schumacher, Chefarzt der Intensiv- und Notfallmedizin des Klinikums berichtet. Intensivpflichtige Patienten müssten mit sehr langen drei Wochen behandelt werden, man habe mehr Fälle als vorher und rechne in den nächsten 14 Tagen mit drei- bis viermal so vielen Fällen, wie heute. Hier sei man auch bereit, die „nächste Eskalationsstufe zu fahren“, um die derzeitigen 20 Intensiv- und 12 so genannte „Intermediate-Care“-Betten auf 44 Intensiv- und 16 IMC-Betten zu erweitern. In diese Eskalationsstufe wolle man jedoch nicht kommen, was auch Dr. med. Thushira Weerawarna, Chefarzt am Siloah-St.-Trudpert-Klinikum und Spezialist für Lungenkrankheiten, unterstreicht. Am Siloah habe man derzeit 28 Intensivbetten, von denen 10 für COVID-19-Patienten reserviert und vier derzeit belegt seien. Hier könne man kurzfristig auf 45 Intensivbetten aufstocken. Aber auch hier ist das Personalproblem eminent, so Weerawarna, aktuell seien vier Ärzte nur für COVID-19-Patienten zuständig.
„Was in den Regeln und Verordnungen steht, sind Leitplanken“, so Brigitte Joggerst. Was dabei zähle, sei der „Geist dahinter, Kontakte zu beschränken“. Niemanden zu treffen, sei das allerbeste, um Infekte zu verhindern und man soll einfach so handeln, um möglichst viele Infekte zu verhindern. Dass COVID-19 derzeit eine vor allem „unsichtbare“ Krankheit ist, sieht auch Felix Schumacher: „Ein großes Problem der Pandemie ist, dass sie vor allem in den Krankenhäusern stattfindet“. Viele bekämen das gar nicht mit und sähen auch die unangenehmen Folgen daher nicht. Ebenso träfe es in der zweiten Welle nun verstärkt auch jüngere Menschen.
„Wir müssen die zweite Welle brechen und müssen die teilweise limitierenden Maßnahmen auch einhalten“, so Dirk Büscher, Erster Bürgermeister der Stadt Pforzheim und selbst auch genesener COVID19-Patient. Er habe zwar „weder physische noch psychische Schäden erlitten“, dennoch ist auch sein Appell an die Bevölkerung, sich an die Maßnahmen zu halten auch wenn eine Maske in der Innenstadt „nicht gerade ein Nonplusultra“ sei. Dennoch sei dieser Effekt „auf jeden Fall der mildere“.