Feuerwehren in Pforzheim und Enzkreis entsenden Teams nach Ahrweiler. DRK-Team berichtet von seinen dramatischen Erlebnissen. (Lesezeit: 5 Minuten)
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Mit großen Teamaufgebot sind regionale Hilfskräfte aus Pforzheim und dem Enzkreis nun in den Hochwassergebieten in Rheinland-Pfalz im Einsatz. Vorausgegangen waren Anforderungen für entsprechende Unterstützung, wie Kreisbrandmeister Carsten Sorg mitteilte.
Aus dem Enzkreis sind heute Vormittag insgesamt 23 Feuerwehr-Kräfte mit 7 Fahrzeugen aus Kieselbronn abgefahren. Philip Mukherjee, Pressesprecher der Stadt, ergänzt, dass aus Pforzheim ebenfalls am heutigen Montag 20 Einsatzkräfte des Hochwasserzugs der Pforzheimer Feuerwehr mit sechs Fahrzeugen in Richtung des stark betroffenen Ortes Ahrweiler unterwegs sind. Bereits seit dem gestrigen Sonntag im Einsatz ist ein geländegängiger Einsatzwagen der Feuerwehr Pforzheim mit zwei Beamten als Führungsunterstützung in Ahrweiler im Verbund mit weiteren Berufsfeuerwehren aus Baden-Württemberg.
Einsatzbericht des DRK
Einen dramatisches Bild aus dem Krisengebiet liefern die DRK-Einsatzkräfte Kevin König und Lothar Vollmar, die letzte Woche Donnerstag auf Anforderung des Innenministeriums mit vier weiteren DRK-Kameraden nach Ahrweiler gefahren sind.
„Es war wie in einer Geisterstadt“, beschreibt Kevin König seinen ersten Eindruck. Der 31-jährige Rettungssanitäter habe im Zucken des Blaulichts nur die vielen kaputten Autos, die kaputten Straßen, Trümmer und überall den braunen Schlamm sehen können.
Eigentlich hätte er Menschen evakuieren sollen – da aber der Regelrettungsdienst komplett ausgelastet gewesen sei, sei er aufgrund seiner Qualifikation entsprechend anders zugeordnet worden. „Unser erster Einsatz war eine Dame mit Hausnotruf, zu der man keinen Kontakt hatte. Da war es erschwert, nachts um halb eins zu ihr zu kommen“, berichtet König. Aufgrund des Stromausfalls hätten die Türklingeln nicht funktioniert, und man habe laut klopfen müssen, um die nahende Hilfe anzukündigen. In diesem Fall hatte jedoch die Nachbarin einen Schlüssel. „Der alten Dame ging es Gott sei Dank gut, und wir haben sie ins Bett gebracht, damit sie im Dunkeln nicht stürzt“, ergänzt der 31-Jährige. Anschließend galt es, ein älteres, gesundheitlich angeschlagenes Ehepaar, das von den Nachbarn bereits vom Erd- ins Obergeschoss gerettet worden war, in ein Altenheim zu fahren.
Sein Rotkreuzkamerad Lothar Vollmar hatte unterdessen die Aufgabe, Menschen aus der überschwemmten Bibliothek zu evakuieren. „Es war stockdunkel“, berichtet er. Auch auf das Navi habe man sich nicht verlassen können, da man die entsprechenden Orte aufgrund der eingestürzten Brücken nicht erreichen konnte und alternative Routen finden musste.
Schließlich fanden die Rotkreuzhelfer 35 ältere Personen, die seit 24 Stunden festgesessen wären. „Eine Familie haben wir mitgenommen und in eine Halle gebracht. Die war aber brechend voll. Die Menschen lagen auf Stühlen oder auf dem Boden“, sagt der Nußbaumer.
Zwei leicht Verletzte hätte er danach ins Krankenhaus bringen sollen, sei dort dann aber weggeschickt worden, da es in der Klinik keinen Strom und kein fließendes Wasser mehr gegeben hätte. 46 Kilometer weiter in Neuwied gab es dann endlich Hilfe für die beiden Patienten. Der Mann hatte seinen Helfern berichtet, dass nicht mal die Kleider, die er auf dem Leib trug, ihm gehörten. Ihm sei das Wasser in seiner Parterrewohnung bis zum Hals gestanden, weil die Tür sich durch den Wasserdruck nicht mehr öffnen ließ. Seine Frau habe er gerade noch Huckepack nehmen können, bevor sie ertrunken wäre. „Die Tür ging dann aber doch noch auf, und sie wurden herausgespült“, beschreibt Vollmar den Ausgang der Geschichte.
Das Gespräch mit seinen Patienten hat Vollmar, der in über 40 Jahren hauptamtlicher Arbeit beim DRK schon vieles gehört und gesehen hat, sehr beeindruckt. „Der Rettungsdienst kostet einen manchmal auch richtig Nerven, dass man fast heulen könnte“, gesteht er. „Aber das, was wir hier in der Pfalz geleistet haben, war reine Katastrophenmedizin.“ Das sieht auch Kevin König so: „Es ist unfassbar und nicht in Worte zu fassen, was die Menschen in den Gebieten alles erlebt und was sie alles verloren haben.“
Nach einer so gut wie schlaflosen Nacht im Auto folgte für die Rotkreuzler am Freitagvormittag der Rückfahrbefehl.
Vollmar, der die Stadt Ahrweiler bereits zu Fortbildungszwecken besucht hatte, wollte sich zuvor die Innenstadt noch einmal anschauen. Weit sei er jedoch nicht gekommen: „Die enge Fußgängerzone glich einer Müllhalde. Sogar Autos lagen in den zerstörten Schaufenstern.“ Bevor er ins Rotkreuzfahrzeug einsteigen konnte, sei eine Frau auf ihn zu gerannt, die um Hilfe für ihre Eltern in einem Nachbardorf bat. Vollmar notierte sich alles und gab die Daten an einen THW-Mitarbeiter weiter. Zuhause angekommen, habe er nach einem Gespräch mit seiner Familie 13 Stunden am Stück geschlafen. Der Fernseher sei erstmal ausgeblieben, „denn ich hatte genug Bilder im Kopf“. Dennoch würde der Rentner keine Sekunde zögern, wieder ins Katastrophengebiet zu fahren. „Es war enorm anstrengend für uns alle. Aber die Fünf, die wir rausgeholt haben, die waren es wert!“