Für Demonstrationsverbot und für eine Ausweisung des Wallbergs als Mahnmal und Gedenkort hohe rechtliche Hürden.
(Lesezeit: 5 Minuten)Hinweis: Dies ist ein Archivbeitrag.
Dieser Beitrag ist im Archiv von PF-BITS. Hier eventuell angegebene Telefon- und Kontaktmöglichkeiten sowie Terminangaben sind möglicherweise nicht mehr aktuell.
In der jüngsten Sitzung des Arbeitskreises 23. Februar haben die Fachämter der Stadt Pforzheim ihre rechtliche Einschätzung zu den vom Bündnis „Pforzheim nazifrei“ veröffentlichten Anregungen zu einem Demonstrationsverbot am 23. Februar und zum besseren Schutz des Gedenkorts Wallberg dargelegt.
Nach der rechtlichen Einschätzung sei ein Verbot aller Demonstrationen am 23. Februar, wie es das Bündnis mit Ausnahmen für die Veranstaltungen des Arbeitskreises anregt – etwa das Lichtermeer auf dem Marktplatz – nicht möglich. Die Versammlungsfreiheit biete als Grundrecht einen hohen Schutz vor staatlichen Eingriffen wie beispielsweise Versammlungsverboten, so die Stadt in einer Pressemitteilung. Demzufolge seien die rechtlichen Voraussetzungen für ein Versammlungsverbot sehr hoch. Es gebe keine Rechtsgrundlage, nach der ein generelles Verbot von Demonstrationen am 23. Februar gerechtfertigt wäre. Wiederholt ist die Stadt mit Verboten oder auch nur mit Auflagen für Versammlungen am 23. Februar vor Gericht gescheitert.
Zudem, so argumentiert die Stadt, ist sie als Behörde an Recht und Gesetz gebunden: Ein jährlich wiederkehrendes Verbot mit anschließender Aufhebung durch die Gerichte, wie von etlichen Bündnis-Mitgliedern gefordert, wäre verfassungswidrig und eine Missachtung von Grundrechten durch die Stadt. Die Ereignisse aus dem Jahr 2021 sind insoweit nicht vergleichbar – Damals waren alle Versammlungen wegen der hohen Infektionsgefahr durch die Corona-Pandemie auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes vom Gesundheitsamt untersagt.
Forderung nach Gedenktag aus Sicht der Stadt bereits erfüllt
Bei der zweiten Forderung des Bündnisses nach Ausrufung des 23. Februar als offiziellen Gedenktag und „Tag der Mahnung gegen Gewalt und Terror“ sieht die Stadt aus ihrer Sicht, dass der „23. Februar als Teil der städtischen Erinnerungskultur auch bereits seit langer Zeit in diesem Sinne gelebt“ werde.
Hohe rechtliche Hürden für Wallberg als Mahnmal und Gedenkort
Zur dritten Anregung, den Wallberg offiziell als Mahnmal und Gedenkort auszuweisen, um damit politische Aufzüge und andere unpassende Veranstaltungen an diesem Ort untersagen zu können, betont das Rechtsamt, dass auch hierfür hohe rechtlichen Hürden bestehen. Nur das Land Baden-Württemberg, nicht jedoch die Stadt Pforzheim selbst, kann den Wallberg rechtlich als Gedenkstätte im Sinne des Versammlungsgesetzes widmen.
Ein Antrag an das Land zur Aufnahme in die Liste der Gedenkstätten habe nach Einschätzung von Kultur- und Rechtsamt voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg: Voraussetzung dafür wäre, dass es sich um einen historisch herausragenden Ort von überregionaler Bedeutung handelt, der an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft erinnert. Dies treffe etwa auf das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin zu, nicht jedoch in vergleichbarer Weise auf den Wallberg.
Die Bezeichnung des Wallbergs als Mahnmal oder Gedenkort und des 23. Februar als Gedenktag mit wichtiger symbolischer Wirkung sei seit langem ein „zentrales Element der städtischen Erinnerungskultur“. Diese Charakterisierung des Wallbergs „hält die Stadt und alle Pforzheimerinnen und Pforzheimer dazu an, sich im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung für eine lebendige, vielfältige Erinnerungskultur und gegen die politische Instrumentalisierung des 23. Februar einzusetzen“. Mit der Frage, ob und inwieweit dieser Charakter des Wallbergs durch die bewusste Bezeichnung als Mahnmal/Gedenkort künftig noch deutlicher betont werden soll, werde sich der Arbeitskreis in einer seiner nächsten Sitzungen auseinandersetzen.
Bündnis-Aufruf mit inzwischen über 560 Unterzeichnern
Der Aufruf des Bündnisses „Pforzheim nazifrei“, der auf der Websites des Bündnisses elektronisch unterzeichnet werden kann, weist inzwischen über 560 Unterschriften von Bürgern auf. Ein Aufruf, der einer „wichtigen Debatte erneut Rückenwind gegeben habe, so Bundestagsabgeordnete Katja Mast. „Die fachliche Einschätzung von Seiten der Stadt ist wichtig. Wir haben aber gemeinsam noch genügend Zeit, die Ausführungen zu würdigen und uns gemeinsam Lösungen zu überlegen.
Zudem sei Mast bereit, mit der Landesregierung die Frage zu erörtern, ob und wie der Wallberg offiziell als Mahnmal ausgewiesen werden könne. Ein pauschales „eher nein“ zum jetzigen Zeitpunkt sei ihr zu früh. Wichtig sei zudem, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, zu verhindern, „dass die Goldstadt massiv für unwürdiges Verhalten am 23. Februar missbraucht wird.