In vielen Deliktbereichen teilweise deutliche Rückgänge. Delikte "Falscher Polizeibeamter" und "Enkeltrick" mit hohen Schadenssummen.
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Es steht im krassen Widerspruch zu dem „gefühlten Empfinden“ so mancher Zeitgenossen. Auch in der aktuellen Kriminalitätsstatistik 2021 für die Region Nordschwarzwald schneiden die Landkreise und der Stadtkreis Pforzheim vor allem mit deutlich weniger Kriminalität als im Landesdurchschnitt ab. Während baden-württemberg-weit die Fallzahlen von 538.566 im Jahr 2020 auf 486.331 im Vorjahr gesunken sind – ein Rückgang von 9,7 Prozent – ist die Fallzahl im gesamten Gebiet des Polizeipräsidiums Pforzheim um 12,1 Prozent auf 21.290 Fälle (2020: 24.228) gesunken.
„Erfreulich ist,“ so Polizeipräsident Wolfgang Tritsch, „dass sich der Rückgang der Straftaten in allen drei Landkreisen und im Stadtkreis Pforzheim zeigt.“ Mit einem Rückgang um 13,2 Prozent hat der Stadtkreis Pforzheim da maßgebliche Beteiligung, der im Vergleich der Stadtkreise im Land den zweiten Platz erreicht.
Bei der Betrachtung der einzelnen Polizeipräsidien liegt das Polizeipräsidium Pforzheim mit der Häufigkeitszahl (ein Produkt aus der Größe der Bevölkerung und den Fallzahlen) 3.523 auf Platz 4 hinter Ulm (3.307), Heilbronn (3.324) und Aalen (3.365) und erreicht damit ein Zehnjahrestief. Landesweit liegt die Häufigkeitszahl bei 4.380), das Polizeipräsidium Stuttgart erreicht gar 6.731.
Ebenfalls gestiegen ist die Aufklärungsquote von Fällen um 1,7 Prozentpunkten auf nun 65,9 Prozent und damit ein Zehnjahreshoch.
Einen Rückgang bei den als „Opferdelikten“ bezeichneten Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Ehre, sexuelle Selbstbestimmung wurden 4.785 (2020: 5.157) Opfer erfasst. Das bedeutet ein Minus von 7,2 Prozent.
Die Straftaten gegen das Leben liegen mit 19 Fällen (-26,9 Prozent) deutlich unter dem Vorjahresniveau (2020: 26). Diese rückläufige Fallzahlenentwicklung steht hierbei gegensätzlich zum Landestrend (+1,8 Prozent). „Auffällig ist, dass von den 29 Tatverdächtigen 15 Personen unter 21 Jahre alt waren“, stellt Sandra Zarges, Leiterin der Kriminalpolizeidirektion fest.
Die Zahl der Straftaten gegen die persönliche Freiheit nimmt seit einigen Jahren stetig zu (Bedrohung, Nachstellung, Nötigung und Freiheitsberaubung). Auffällig ist hierbei der Anstieg von strafrechtlich relevanten Bedrohungen, die über Mobiltelefone, Internet und soziale Medien verübt werden. Es wurden 139 Fälle mehr als im Vorjahr (2020: 933) registriert. „Gründe hierfür dürften unter anderem in einem sensibleren Anzeigeverhalten und der verstärkten Nutzung der Möglichkeit zur online Anzeigenerstattung liegen. Auch die 2021 erfolgte Gesetzesänderung beim Tatbestand der Bedrohung führt zu erhöhten Fallzahlen.
Bei den Körperverletzungsdelikten ist ein deutlicher Rückgang um 15,6 Prozent zu verzeichnen. Die Anzahl der zur Anzeige gebrachten Delikte sank von 2.918 (2020) auf 2.464. Dieser Rückgang lasse sich nach Analysen des Polizeipräsidiums wesentlich auf die massiven pandemiebedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens zurückführen, so die Kripochefin.
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gestiegen
Um 40,3 Prozent auf nun 822 Fälle sind Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gestiegen. Intensivierte Ermittlungen konnten 2021 das Dunkelfeld im Bereich der Verbreitung kinderpornografischer Schriften weiter aufhellen. Auch in Zusammenarbeit mit der halbstaatlichen US-amerikanischen Organisation „NCMEC“ wurde im Bereich Kinderpornografie erneut ein massiver Zuwachs um 92,8 Prozent auf insgesamt 509 Fälle verzeichnet. Immerhin liegt die Aufklärungsquote hier bei fast 92 Prozent und stellt damit ein weiteres Zehnjahreshoch dar.
Da die Bearbeitung dieses sensiblen Deliktsfeldes das Polizeipräsidium in den nächsten Jahren weiter erheblich fordern wird, wird wir die bisherige Ermittlungsgruppe zum 1. April 2022 in einen eigenen Arbeitsbereich Kinderpornografie bei der Kriminalinspektion 1 integriert.
Insgesamt 1.509 Fälle mit Rauschgift wurden im Jahr 2021 in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfasst. Dies bedeutet einen präsidiumsweiten Rückgang um 330 Fälle (-17,9 Prozent). Hier zeigt sich in den Kreisen ein unterschiedliches Bild: Stadtkreis Pforzheim mit -20,8 Prozent, der Landkreis Freudenstadt mit -38,3 Prozent und der Enzkreis mit -19,1 Prozent. Einzig im Landkreis Calw ist eine Zunahme der Fälle um 12,1% zu verzeichnen.
Weniger Diebstähle und deutlich weniger Wohnungseinbrüche
Die Anzahl der Diebstähle sinkt im dritten Jahr in Folge. Der Rückgang erstreckt sich sowohl über die drei Landkreise als auch das Stadtgebiet Pforzheim. Eine Erklärung wird in der Reduzierung der Tatgelegenheiten während der pandemiebedingten Beschränkungen gesehen.
„Im Jahr 2014 musste noch 961 Wohnungseinbrüche polizeilich bearbeitet werden. Im vergangenen Jahr waren es 179. Dieser historische Tiefstand ist ein Beleg für die erfolgreiche Arbeit der Polizei nicht nur im Bereich der Ermittlungen, sondern auch in der Kriminalpolizeilichen Beratung“, fasst der Leiter der Schutzpolizeidirektion, Andreas Bjedov, die Entwicklung des Wohnungseinbruchsdiebstahls zusammen. „Gleichzeitig“, so Bjedov weiter, „konnte die Aufklärungsquote um 4,6 Prozentpunkte auf nunmehr 22,9 Prozent gesteigert werden.“
Im Bereich Vermögens-/Fälschungsdelikte wird ein Rückgang um knapp 15 Prozent auf 3.988 Fälle verzeichnet, ebenfalls ein Zehnjahrestief. Erwähnenswert sind hier Urkundenfälschungen. Sie sind mit einem Anstieg von knapp 21 Prozent (+81 Fälle auf 470) auf einem Zehnjahreshoch. Dieser Anstieg ist ähnlich zum Rückgang bei den Diebstahlsdelikten mit der Pandemie in Form von Subventionsbetrug in Zusammenhang zu bringen. Hier schlagen 29 unberechtigt beantragte Corona-Soforthilfen mit einer Schadenssumme von über 252.000 Euro zu Buche.
„Falsche Polizeibeamte“ sorgen für hohe Schadenssummen
Die Masche „Angeblicher Polizeibeamter“ stieg um 34,1 Prozent auf 401 Fälle an (2020: 299). In 52 Fällen (2020: 20) kam es zu einer vollendeten Tat. Dem gegenüber stehen sieben aufgeklärte Fälle. Die Schadenssumme hat sich auf 446.073 Euro mehr als verdoppelt (2020: 202.228 Euro).
Eine weitere Anrufstraftat stellt der „Enkeltrick“ dar. Hier ergab die Auswertung ein Rückgang um 100 Taten im Jahr 2020 auf jetzt 92 (2021). Sieben Mal kam es zur Vollendung durch die Täter (2020: 17 Fälle). Die restlichen Fälle blieben im Versuchsstadium stecken. Vier Fälle konnten aufgeklärt werden. Die Schadenssumme beläuft sich auf 421.904 Euro (2020: 619.505 Euro) – ein Rückgang von knapp 32 Prozent.
Stagnation auf hohem Niveau bei Gewalt gegenüber Polizeibeamten
Nachdem im Jahr 2020 die Delikte zum Nachteil von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten mit 217 Fällen und 476 verletzten Kolleginnen und Kollegen einen bis dahin traurigen Spitzenwert erreicht hatten, ist in diesem Jahr bei der Anzahl der Fälle Stagnation eingetreten (217 Fälle) und die Zahl der Verletzten leicht auf 442 Opfer gesunken. „Ich bringe es auf den Punkt. Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte aber auch gegen Einsatzkräfte der Hilfsdienste und der Feuerwehren ist nicht zu akzeptieren. Wir werden dagegen weiterhin konsequent vorgehen“, so Leitender Polizeidirektor Andreas Bjedov.
Weiterhin weniger Straßenkriminalität
Das letztjährige Zehnjahrestief bei der Straßenkriminalität (Raub, Vergewaltigung, Gefährliche Körperverletzung auf Straßen und Sachbeschädigung im öffentlichen Raum) wird in 2021 mit einem Rückgang um 4,9 Prozent nochmals getoppt. Die Fallzahlen entwickeln sich von 3.215 (2020) auf 3.056 (2021).
„Die Entwicklung der Straßenkriminalität zeigt, dass die starke polizeiliche Präsenz im öffentlichen Raum nicht nur das Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger nachhaltig stärkt, sondern auch zu einer erheblichen Steigerung der Aufklärungsquote auf rund 29% mit einem Zehnjahreshoch geführt hat“, so der Leiter der Schutzpolizeidirektion.
Im Straftatbestand der Häuslichen Gewalt gibt es seit 2015 einen kontinuierlicher Fallzahlenanstieg. 2021 waren 580 Fälle zu verzeichnen (2020: 497) und damit ein weiterer Anstieg. Beim Polizeipräsidium Pforzheim wurde zum 1. Februar 2021 die „Koordinierungsstelle häusliche Gewalt“ eingerichtet, die neben pandemiebedingten Einschränkungen in der Öffentlichkeit nach Einschätzung der Polizei durch ihre Sensibilisierung auch zur Erhöhung der Fallzahlen und Erhellung des Dunkelfelds beiträgt.
Polizei setzt weiterhin konsequent auf Prävention
Beim Polizeipräsidium Pforzheim eröffnete im Oktober 2021 die technisch modern eingerichtete Kriminalpolizeiliche Beratungsstelle in der Bahnhofstraße 13. Hier oder auch bei einem Vorort-Termin zu Hause besteht für Interessierte die Möglichkeit, sich umfassend und produktneutral durch Polizeibeamte zum Thema Einbruchschutz beraten zu lassen.
Weiterhin wurden verschiedene öffentlichkeitswirksame Präventionsveranstaltungen durchgeführt. Neben digitalen Formaten, einem Aktionstag gegen Kinderpornographie, Präsenz in den Mitteilungs-/Gemeindeblättern und Medien wurden Themen wie Einbruchschutz, Fahrradsicherung, Taschendiebstahl, Delikte zum Nachteil älterer Menschen, aber auch Zivilcourage über den Social-Media-Bereich aufbereitet.
Für dieses Jahr plant das Polizeipräsidium weitere Formate, damit sich die Polizei auch auf diesem Wege „nah bei den Menschen zeigt“ und der „Entstehung von Kriminalität entgegenwirkt“.
„Auf dem Weg zum sichersten Polizeipräsidium werden wir in 2022 bei der Kriminalitätsbekämpfung ein besonderes Augenmerk auf die Bereiche Organisierte Kriminalität, Cybersicherheit, politisch motivierte Kriminalität und Sicherheit im öffentlichen Raum legen. Ferner kommt der Bewältigung von herausragenden Einsatzlagen und eine Reduzierung von Angriffen auf Polizeibeamte/innen eine besondere Bedeutung zu“, so der Polizeipräsident.