OB Boch verweist darauf, dass Pforzheim weniger Menschen aufnehmen hätte müssen - Alt-OB Gert Hager widerspricht.
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„Das Thema ist über eine allererste Idee nie hinausgekommen“, so Joachim Hülsmann, Leiter des Jugend- und Sozialamts zu der Recherche der „Pforzheimer Zeitung“, dass es 2015/2016 bereits Prüfungen für eine mögliche Landeserstaufnahmestelle (LEA) in Pforzheim gegeben habe.
In ihrer Mitteilung spielt die Stadtverwaltung ein „Gedankenspiel“ durch: Hätte es bereits seit 2016 eine Erstaufnahmestelle in Pforzheim gegeben, wäre die Stadt schon damals „teilweise oder sogar ganz von der Zuteilung von Asylsuchenden innerhalb Baden-Württembergs ausgenommen gewesen“. So wären es anstatt von 1.600 Menschen „ohne Ukrainer“, die bis zum heutigen Tage der Stadt zugewiesen wurden, „nur 320 Menschen“ gewesen.
Daraus schließt Oberbürgermeister Peter Boch: „Wäre 2015/2016 eine Erstaufnahmestelle in Pforzheim eingerichtet worden, würden wir jetzt erheblich davon profitieren“. Man hätte über die Jahre deutlich weniger Menschen aufgenommen und dadurch „mehr freie Kapazitäten in unseren kommunalen Unterkünften“ und Hallenbelegungen hätten sich vermeiden lassen. Gerade Pforzheim mit seiner spezifischen Sozialstruktur, wie sie von den Gegnern einer Erstaufnahmeeinrichtung aufgeführt wird, wäre durch eine solche Einrichtung langfristig entlastet worden. „Denn es wären ja erheblich weniger Flüchtlinge nach Pforzheim gekommen, die dauerhaft hier leben und hätten integriert werden müssen“, so der OB. Und das gelte auch für die Zukunft, sollte die Erstaufnahmestelle im Brötzinger Tal eingerichtet werden.
Alt-OB Gert Hager widerspricht Boch
„Eine starke Behauptung, aber ist sie auch wahr?“, so Alt-Oberbürgermeister Gert Hager in einer Reaktion gegenüber den Medien, in der er aus der Perspektive als damaliger Oberbürgermeister Pforzheims seine Sicht der Dinge erläutert und Bochs Einschätzung widerspricht. Normalerweise, so Hager, nehme er keine Stellung zum Politikgeschehen in Pforzheim. Er sehe sich jedoch zu einer Ausnahme gezwungen, da die Stadt behaupte, dass Pforzheim heute besser dastünde, hätte Hager eine damalige Ansiedlung einer Landeserstaufnahmestelle forciert.
In der Tat, so Hager, sei die Möglichkeit einer Erstaufnahmestelle damals innerhalb der Verwaltung diskutiert worden, aber aus zwei Gründen „sehr rasch“ verworfen. Zum einen hatte die Stadt Pforzheim schon in dieser Zeit „sehr große und teure Integrationsaufgaben zu schultern“, die mit hohen Kosten verbunden waren. Zum anderen sei politisch sehr wohl ausgelotet worden, ob sich die Einrichtung einer LEA mit der Zusage der Landesregierung verbinden ließe, deutlich weniger Asylbewerber in die Stadt zu schicken. Doch darauf, so Hager, ließ sich damals die Landesregierung jedoch in keiner Weise ein.
Nehme man die Umstände der geplanten LEA mit rund 1.000 Menschen, die im Asylverfahren so monatlich nach Pforzheim kommen würden, zusammen, „sollte sich die Rathausspitze, der Gemeinderat und die Bürgerschaft der Stadt gut überlegen, ob sie aktiv eine LEA in der Stadt haben möchten“. Dabei, so Hager, soll man sich auch die Fragen stellen, warum sich von den anderen rund 1.100 Städten und Gemeinden im Land „niemand freiwillig“ dafür melde und warum eine Stadt wie Ellwangen die dort eingerichtete LEA „unbedingt und fast um jeden Preis“ an das Land zurückgeben wolle.