Gleich zwei Mal sorgten Merz' Äußerungen rund um die "Brandmauer" der CDU zur AfD zu Berichterstattungen über Pforzheim im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". (Lesezeit: 5 Minuten)
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Das politische Leben als Fraktionsvorsitzende(r) ist kein einfaches. Das gilt ausnahmslos in allen Parlamentsklassen, vom Bundestag bis herunter in die Kreistage und Gemeinderäte. Das hat auch Marianne Engeser, Vorsitzende der Pforzheimer CDU-Gemeinderatsfraktion diese Woche zu spüren bekommen. Es ist ein Beispiel dafür, wie schnell man unter die Räder kommen kann und oft eben auch weitgehend unschuldig.
Alles begann mit dem ZDF-Sommerinterview von CDU-Vorsitzendem Friedrich Merz am vergangenen Sonntag. Bekannterweise sucht Merz sein Profil und hat gleich zwei Großbaustellen. Als größte Oppositionspartei im Bundestag muss sie links von sich die Ampelkoalition von SPD, Grüne und FDP vor sich hertreiben und gleichzeitig die berühmte „rechte Flanke“ sichern. Im CDU-Jargon ist diese Grenze nach einem Parteitagsbeschluss die so genannte „Brandmauer“, die unbedingt gehalten werden muss: Mit der AfD gibt es aus Sicht der CDU keine Zusammenarbeit. Wobei, so Merz in seiner Haltung, man müsse da schon zuschaue, wie man das auf kommunaler Ebene auf die Reihe bekommt, denn da dreht sich die Welt ein wenig anders.
Das hat, wie zu erwarten war, eine gewaltige Welle der Empörung ausgelöst, so dass Merz am nächsten Tag mit Schadensbereinigung in sozialen Netzwerken reagierte und mal eben so behauptete, dass er ja gar nicht gemeint hat, dass die CDU mit der AfD auf kommunaler Ebene zusammenarbeiten solle. Feinste Politikdialektik für Feinschmecker, aber eben ganz oben in der Parteiführung. Ganz weit weg.
Der Blick nach Pforzheim
Nun ist Pforzheim zwar aus Sicht des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ ebenfalls weit weg, aber dann doch eben nicht ganz so weit. Und damit ist nicht der Umstand gemeint, dass jede Woche alle Spiegel-Hefte tatsächlich in Pforzheim gedruckt und von hier aus versendet werden, sondern dass sich die Baden-Württemberg-Korrespondentin der Spiegel-Redaktion offensichtlich darüber Bescheid weiß, dass Pforzheim im Westen Deutschlands aus unterschiedlichen Gründen eine AfD-Hochburg ist.
Also bat man Engeser zum Interview darüber, wie die Schnittmengen und Kooperationen der CDU-Fraktion zur AfD aussehen würden (kostenpflichtiger Artikel). Ohne große Überraschung verneint die CDU-Fraktionsvorsitzende eine Zusammenarbeit mit der AfD im Gemeinderat. „Es gab keine gemeinsamen Anträge“, so Engeser im Interview, „und es wird sie auch nicht geben, denn wir werden diese Leute nicht hoffähig machen.“
Die Gemeinderatssitzung
Nun hat die Spiegel-Korrespondentin offenkundig ihre Hausaufgaben gemacht und am vergangenen Dienstag die Gemeinderatssitzung in Pforzheim besucht. In der unter anderem über die Etablierung eines „Kommunalen Ordnungsdienstes“ abgestimmt wurde, der maßgeblich von der CDU-Fraktion auf den Weg gebracht wurde und am Dienstag auch von ihr Zustimmung hielt – und eben auch von der AfD-Fraktion, der das Thema Sicherheit – aus mutmaßlich anderen Gründen – ja auch ganz wichtig ist.
Was dann dazu führte, dass die zwei größten Gruppen, die den Kommunalen Ordnungsdienst in Pforzheim wollen, nun eben die CDU- und die AfD-Fraktion ist.
Das führte am Donnerstag zum nächsten Artikel auf der Website des Spiegels, der genau diese Entscheidung im Gemeinderat als Themenkern hat (kostenpflichtiger Artikel). Und der am morgigen Freitag auch im gedruckten Spiegel erscheint. Kurzzusammenfassung ist, dass niemand mit der AfD im Gemeinderat zusammenarbeiten will, aber sie als Mehrheitsbeschafferin eben unter anderem für Sicherheitsthemen durchaus nützlich ist, sozusagen auf „stille Weise“. Auf die Frage des Spiegel, wie das alles zur Äußerung, keine Zusammenarbeit mit der AfD zu pflegen, antwortete Engeser, dass das ja „in Wirklichkeit keine Kooperation“ sei, da man sich schließlich „zu keinem Zeitpunkt mit der AfD abgesprochen“ habe.
Die Initiative gegen Rechts begrüßt die CDU-Reaktion
Erfreut über die klaren Statements der CDU Politiker aus Pforzheim und dem Enzkreis gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD ist man bei der Initiative gegen Rechts. Und das will etwas bedeuten, denn in diesem Bündnis sind unter anderem mit der SPD, den Grünen, der Linken und der Gruppierung „Wir in Pforzheim“ mehr als ein Viertel der Stadträte im Gemeinderat vertreten. „Die Brandmauer auf lokaler Ebene in Pforzheim scheint zu stehen“, so Initiative-Sprecher Christian Schmidt, „was wir jetzt brauchen, sind Menschen, die das Feuer auf der anderen Seite löschen.“
Alles hätte auch noch dicker kommen können, nämlich wenn der Spiegel ein paar Jahre zurückgeblättert hätte. Zum damaligen Oberbürgermeisterwahlkampf führte Peter Boch Gespräche mit allen Fraktionen – auch mit der AfD. Und die gab kurz darauf öffentlich eine Wahlempfehlung für Boch.