Ja, es darf. Zumindest wird es die Stadt nicht verbieten und die goldstädtische Currywurst wird bleiben.
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Die Nachricht, die Mitte August in mehr oder weniger obskuren „Nachrichtenportalen“ erschien, passt in das Gefühlsleben Vieler und in die gesellschaftliche Lage: Städte, darunter auch Pforzheim und weitere Städte in der Bundesrepublik, planten angeblich, den „Fleischkonsum zu verbieten“, ebenso den Besitz von Privatautos. Die Zahl von neuen Kleidungsstücken soll angeblich sanktioniert werden und auch Reisen sollen verboten werden. Das, so der Tenor dieser „Nachricht“, dürfe sich der freie Bürger natürlich nicht gefallen lassen.
Als Grundlage dieser Nachricht werden die Programme „Race Cities to Zero“ und die so genannten „C40-Städte“ genommen, die als Kampagnen Städte und Kommunen weltweit davon überzeugen wollen, sich für Klimaschutzziele in ihrem Raum einzusetzen. Etwas, was die Stadt Pforzheim beispielsweise durch das Klimafolgenanpassungskonzept und daraus abgeleitete Klimaschutz-Maßnahmen bereits konkret tut.
Ist Pforzheim nun tatsächlich einer der „C40“- oder „Race Cities to Zero“-Städte und hat die Stadtverwaltung da nicht das richtige gesagt? Die Stadt selbst hat in dieser Woche auf die Vorwürfe mit einer Mitteilung reagiert, die wiederum bei einigen Menschen Nachfragen erzeugt haben. So dringend, dass diese Nachfragen offenkundig an alle Medien in Pforzheim gestellt wurden.
Also gut, wir stellen eine Anfrage an das C40-Netzwerk, die uns aus New York der Pressesprecher Rolf Rosenkranz beantwortet.
Auf welcher Liste ist denn nun Pforzheim?
Tatsächlich ist es so, dass es zwischen den C40-Städten und den „Cities Race to Zero“ eine Verbindung gibt, allerdings eine einseitige. Alle C40-Städte haben sich nämlich dem Programm der „Cities Race to Zero“ verschrieben, allerdings sind nicht alle Städte, die dieses Programm unterzeichnet haben, auch automatisch C40-Städte.
Das Programm „Cities Race to Zero“ sieht sich selbst als zentralen Einstiegspunkt. in die Kampagne, die globalen Emissionen mittelfristig zu senken und eine „gesündere, gerechtere CO2-freie Welt zu schaffen. Dazu verpflichten sich Städte – ob groß oder klein – hauptsächlich dazu, den globalen Klimanotstand zu anerkennen und sich dafür einzusetzen, sich an das 1,5°-Celsius-Ziel des Pariser Abkommens zu halten. Verbunden mit dieser Selbstverpflichtung sind Erläuterungen von Schritten, die die entsprechende Kommune zu diesem Ziel führen sollen. Das Programm „Cities Race to Zero“ stellt diesen Städten Tools und Ressourcen zur Verfügung, um dieses Ziel zu erreichen.
Die C40-Städte wiederum gehen in ihrer Selbstverpflichtung weiter. Hier sind es die Bürgermeister von großen Metropolen weltweit, die ein eigenes Netzwerk bilden und sich „gegenseitig unterstützen“ bei der Erreichung der Klimaschutzziele.
Und wie entstand die Verschwörungstheorie?
„Die Verschwörungstheorien scheinen auf einer Fehlinterpretation des C40-Berichts ‚Die Zukunft des städtischen Konsums in einer 1,5°C-Welt‘ aus dem Jahr 2019 zu basieren, der in Zusammenarbeit mit der University of Leeds und Arup veröffentlicht wurde“, so C40-Sprecher Rolf Rosenkranz.
In diesem Bericht der Universitäten wird zwar geschrieben, dass es letztendlich „in der Hand des Einzelnen“ liege zu entscheiden, welche „Lebensmittel er verzehrt, seinen Einkauf verwaltet, wie viele Kleidungsstücke er kauft oder ein Privatauto besitzt“. Erstellt werden in diesem Bericht aber lediglich Modelle darüber, wie die Ziele aussehen könnten, wenn diese Maßnahmen von der Gesellschaft auch getan werden würden.
Reden wir doch mal über die Verschwörungstheorie selbst
Ist an der Verschwörungstheorie etwas dran? Wohl kaum. Jedenfalls nichts, was irgendwie mit echten Fakten zu tun haben könnte. Das ahnen wohl auch die Schreiber der Verschwörungstheorie selbst, die da schreiben, dass solche „angepeilten Ziele zumindest heute nicht in der Kompetenz einer Gemeinde angesiedelt“ sind. Natürlich nicht, um noch schnell den Klassiker aller Verschwörungen hinterherzuschicken, dass hier angeblich eine „weltweite Diktatur“ errichtet werden soll, um die „Zahl der Menschen zu reduzieren“ und die „verbleibenden Menschen zu versklaven“. Klassische Querdenker-Sprechweise.
In das klassische Muster von Verschwörungstheorien passt auch die Art und Weise, wie sie verbreitet wird. Zuerst erscheint sie auf mehr oder weniger obskuren „Nachrichtenportalen“, die vor allem mit obskuren „Nachrichten“ glänzen und mehr oder weniger reine „Fake-News“-Schleudern sind.
Artikel hier werden von anderen Portalen aufgegriffen, munter in Social Networks aus der „Querdenker“-Szene geteilt, landen bei Empfängern, die diese „Nachricht“ von Freunden und Bekannten erhalten haben. Hier immerhin gibt es die ersten Empfänger, die misstrauisch gegenüber solche heißen Geschichten sind und bei echten Medien anfragen, die dann wiederum recherchieren und aufklären.
So sind wir also nicht die einzigen, die sich die Mühen gemacht haben, sondern viele andere Nachrichtenredaktionen auch. So beispielsweise auch die Deutsche Welle, die ebenfalls zum Schluss kommt, dass es sich hier um Fake News handelt. Nicht mehr und nicht weniger.
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