Lesungsabend unter dem Motto "Von Zwergen, Feen und anderen Menschen".
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Von Andreas Barlage
Es ist ein Sonntagabend im Oktober. Im Ländle leuchtet noch die Sonne golden, ehe es dämmert. Es ist frisch, die Fassade des kultur:BAHNHOF (ich habe keine Ahnung, wieso das so geschrieben wird) Niefern-Öschelbronn tankt noch letzte Wärme und ihre offene Tür lädt zu einer Lese, die nichts mit Bacchus‘ Geschenken zu tun hat.
Heute wird vorgelesen.
Die beiden in der Region lebenden Autoren Fred Keller und Volker Schopf stellen höchstselbst Kostproben ihrer Werke vor. Das Ganze wurde bereichert mit Musik, denn das Gitarrenduo Harald Zeidler und Chris Bayer gibt einige ihrer Songs zum Besten. Gut besucht; der angenehme, nicht allzu große Vortragsraum ist fast voll besetzt, und vorfreudig-neugierig finden sich Interessierte zusammen um dem Geschehen zu lauschen.
Claudia Konrad – selbst Autorin – schlüpft in die Rolle der Einleitungsmoderatorin und stellt die vier Akteure des Abends kurz vor. Es geht los mit Gitarrenmusik und Gesang … eher poppig als klassisch … und im Laufe des Abends werden immer mal Lieder als Trenner der Lesungen dargebracht. Der Bogen spannt sich dabei von einem verstörend-ernsten Thema wie Gewalt gegen eine junge Frau bis hin zu einem shantyartigen Piratensong oder – passend zu den nun längeren Nächten – Statements eines Vampirs.
Fred Keller macht den Lese-Anfang und stellt uns kurzweilig und gut gelaunt eine Dreizehn – es handelt sich hier um eine Elfe, die sich in jeder Hinsicht zwei Nummern erweitert hat – vor und die zwei einschlägig begabte Frauen zu Hexen ausbilden will. Was vorher und nachher passiert, ist nachzulesen im dem Geschichtenband „Cynthia Silbersporn“.
Volker Schopf bietet etwas kniffligere Kost mit zwei Auszügen aus seinem Buch „Andere Zeiten – andere Menschen“. Hier geht es um Innenansichten eines Menschen, der mit Extremsituationen konfrontiert wird. Mehrere Erzählebenen und Reflexionen zeigen dabei anschaulich, wie sehr unterschiedliche Gedankenwelten sich im Zuge dessen unvermittelt aneinanderreihen können. Es dürfte interessant sein, sich selbst das gesamte Buch zu erschließen.
Die zweite Geschichte von Fred Keller ist in seiner Kurzgeschichten-Sammlung „Konrad von Birkenfelde“ entnommen – es geht um Geschehnisse im Wartezimmer des Todes … und zwar als humorvolle, mit kleinen, feinen Sprachspitzen garnierte Persiflage auf eine Behörde.
Möglicherweise hat sich der eine Besucher oder die andere Besucherin den Leseabend, der mit dem Titel „Von Zwergen, Feen und anderen Menschen“ angekündigt war, anders vorgestellt. Der Kontrast aus melancholischen, fast fatalistischen Ansichten der Protagonisten von Volker Schopf und der kellerschen tiefsinnigen, sprachlich souveränen Unbekümmertheit ist durchaus ungewöhnlich. Aber das ist doch gerade das Tolle bei einem Kleinkunst-Abend, was sicher das Publikum dafür sehr schätzt: Er überrascht. So auch dieser! Er bringt abwechselnd zum Nachdenken und zum Schmunzeln – gelegentlich gleichzeitig.
Volker Schopf, Fred Keller sowie Harald Zeidler & Chris Bayer bestreiten übrigens ihren Lebensunterhalt nicht mit dem, was sie texten, komponieren und vortragen. Und doch ist alles bemerkens- und unbedingt hörenswert … wenn ich auch zugeben muss, dass es mich irritiert, wenn Musiker auf der Bühne miteinander tuscheln, während jemand liest … aber Schwamm drüber, beim nächsten Mal kommt diese oder eine der anderen nicht erwähnenswerten Pannen gewiss nicht mehr vor …