Mehr als 3.000 Menschen setzen in der Pforzheimer Innenstadt Zeichen gegen Rechts.
(Lesezeit: 4 Minuten)Gerade einmal sieben Tage lagen zwischen der ersten Idee für eine Pforzheimer Kundgebung und der tatsächlichen Veranstaltung am Samstag. Mit mehr als 3.000 Menschen, wie die Organisatoren und die Polizei übereinstimmend melden, übertraf die Besucherzahl die ursprünglich geplanten mehreren Hundert Personen dann doch deutlich. Und so ging ab 15 Uhr am Leopoldplatz in Sachen Busverkehr dann für zwei Stunden nichts mehr, wie auch das Ordnungsamt schon am Vortag ankündigte, nachdem klar wurde, dass ein schneller Umzug der Kundgebung nicht mehr möglich war. „Es tut mir unendlich leid“, so Mitorganisator Christian Schmidt humorvoll, „aber sie werden die nächsten zwei Stunden nicht in den Bus einsteigen können.“
Die Initiative gegen Rechts, das Bündnis „Pforzheim Nazifrei“, der Jugendgemeinderat, die evangelische und katholische Kirche und Gewerkschaften wollten mit ihrer Kundgebung „Demokratie verteidigen!“ auf die aktuelle Debatte um das Potsdamer Treffen von Rechtsextremen, unter anderem mit Politikern der AfD mit einer Demonstration reagieren, so wie am Wochenende Hunderttausende Menschen in vielen Städten in Deutschland.
„Jeder Mensch hat eine Würde, die nicht verletzt werden darf. Diese Würde ist zu achten und zu schützen und deswegen ist kein Mensch illegal und es gibt keinen Menschen Zweiter Klasse“, so Christiane Quincke, Dekanin der Evangelischen Kirche. „Das, was für religiöse Menschen gilt ist das, was in unserem Staat und unserer Verfassung fundamental ist“, sagt Tobias Gfell, Pastoralreferent der Katholischen Kirche Pforzheim. Sie endeten Ihre Redebeiträge mit dem gemeinsamen Spruch: „Nie wieder ist jetzt.“
„Als Jugendgemeinderat appellieren wir an die Vernunft und den gesunden Menschenverstand aller Bürgerinnen und Bürger“, so Leon Meyer, der zusammen mit Kira Hülsmann den Jugendgemeinderat vertrat . Man müsse aktiv für eine offene, tolerante und demokratische Gesellschaft eintreten.
Taoufek Morad, der im Jugendmigrationsdienst des Internationalen Bundes tätig ist, erzählte in seinem Redebeitrag von einem integrationswilligen Flüchtling in Deutschland. Heute suche dieser sich im Zug einen Sitzplatz mit Bedacht aus, da er sich nicht mehr sicher fühle. „Ich verrate Ihnen ein Geheimnis“, so Morad. „Dieser Mann steht heute vor ihnen, denn das bin ich.“
Kämpferische Beiträge von Politikern
„Es ist unerträglich, die in weiten Teilen rechtsextreme AfD im Bundestag zu erleben, aber auch im Stadtrat von Pforzheim, in den Gemeinderäten im Enzkreis und im Kreistag“, so Bundestagsabgeordnete Katja Mast in ihrer sicht- und hörbar kämpferischen Rede. „Das ist hier, das ist nah, das ist unser aller Leben.“
„Ich bin in Rumänien zeitweise in einer Diktatur aufgewachsen“, so Stadträtin Oana Krichbaum, „und ich weiß, was es bedeutet, von der Demokratie träumen zu dürfen.“ In Deutschland lebten die Menschen heute mit Freiheit und Demokratie als eine Selbstverständlichkeit. Krichbaum: „Das ist es aber nicht.“ Es reiche nicht mehr, nur für die Demokratie zu stehen, sondern man müsse jetzt gemeinsam für die Demokratie kämpfen.
Nach eigener Aussage „zum ersten Mal in ihrem Leben“ ging FDP-Stadträtin Monika Descharmes „auf die Barrikaden“, um sprechen zu können. „Denn ich meine, Ihnen erzählen zu müssen, dass ich sie noch erlebt und gesehen, ja und sogar als Spielplatz genutzt habe, die Ruinen, die von Pforzheim nach dem apokalyptischen Angriff vom 23. Februar 1945 übrig blieben.“
„Wer jetzt noch glaubt,“ so Descharmes im Bezug auf die AfD, „es mit einer der Demokratie verpflichteten Partei zu tun zu haben, dem ist wohl leider nicht mehr zu helfen.“
Weitere Redebeiträge kamen von der Bundestagsabgeordneten der Bündnisgrünen, Stephanie Aeffner, Stadträtin Annkathrin Wulff, die Erich Kästners Gedicht „Bei Hitlers brennt noch Licht“ vortrug, und von Helmut Kuntschner, Vorstand der Linken in Pforzheim.