Wir verabschieden uns

Foto: Serjan Midili via Unsplash.com

Unsere sieben Sachen gepackt haben wir. (*)

(Lesezeit: 4 Minuten)

Nun ist es soweit. Es hat lange gedauert, aber heute sind die Papiere gekommen. Die Computer sind zusammengepackt, der PF-BITS-Server gekündigt und das ist nun mit Artikelnummer 4.428 der letzte Artikel – den wir in Deutschland schreiben, bevor es nun zum Flughafen geht. Wir wandern aus. Oder, wie es so schön heißt: Wir remigrieren. Oder was es eigentlich ist: Wir werden deportiert. Eine neue Zukunft erwartet uns und obwohl wir „gut integriert“ schienen, kam der „Entlassungsschein“. Ob wir vielleicht einmal „unstet“ geschrieben haben? Man weiß es nicht.

Titel und erster Absatz dieses Meinungsartikels hat sie erschreckt? Das ist gewollt. Denn tatsächlich setzt sich schleichend und langsam eine Art und Weise des Tonfalls in unserer Gesellschaft fest, der nicht gut ist. Während einige selbsternannte „Strategen“ in einer Art „Wannseekonferenz 2.0“ die vermeintlich goldene Zukunft des Landes planen, organisieren andere einen Aufstand in eigener Sache. Und auch hier bisweilen in einem öffentlichen Tonfall, der am ehesten an ein schlechtes Rugbyspiel erinnern, als an eine politische Debatte. Schön für die Schlagzeile, aber nicht schön für die Debattenkultur. Eigentlich unsagbares scheint immer sagbarer zu werden und auf der Suche nach der möglichst einfachen Antwort – die es selten gibt – werden Grenzen verschoben.

Bleiben wir da einmal bei der „Remigration“, die wir der Übersichtlichkeit halber weiterhin als Deportation bezeichnen wollen:

Deportation träfe die, die bleiben

Es wäre ja so eine herrlich einfache Antwort: Alle „Ausländer“ raus, dazu noch alle Sympathisanten und andere „Ausreisewillige“. Und schon gibt es mehr freie Wohnungen, mehr Arbeitsplätze, weniger Kriminalität, schönere Innenstädte, weniger Döner- und Handyläden.

Dabei gibt es Leistungsträger ebenso bei Migranten. Die Wirtschaft in Deutschland, die schon heute unter einem dramatischen Fachkräftemangel leidet, würde so erheblich geschwächt werden, dass viele Industrien in Deutschland schlicht nicht mehr funktionieren könnten und zwingend ins Ausland abwandern müssten. Eine Deindustrialisierung wäre die Folge, die schon nach wenigen Jahren dazu führen würde, dass ein Großteil des gesellschaftlichen Mittelstands in die Armut stürzen würde. Ein Kalkül, denn bittstellende Menschen mucken schließlich auch weniger auf.

Unsere moderne und vernetzte Welt sorgt hingegen dafür, dass sehr viele Menschen, die sich da nun von ihrer bisherigen kleinen Wohlstand verabschieden müssten, dennoch über das Internet sehen würden, was „draußen“ passiert. Schließlich ist das Internet ja nicht eine rein deutsche Erfindung. Also müssten die Bürgerinnen und Bürger „geschützt“ werden von äußeren Einflüssen, wie es in anderen, totalitären Ländern der Fall ist. Der Mensch sieht nicht das, was passiert, sondern das, was die Regierung gezeigt haben will. Oder einfach gleich selbst macht. Und „sicherheitshalber“ wird jeder dann noch „bewacht“, damit auch wirklich nichts „schief geht“. Ein totalitärer Staat ist nicht nur schlecht für Menschen, die als Sündenböcke drangsaliert werden, sondern auch für die, die bleiben „dürfen“. Denn natürlich führt das „Bleibendürfen“ mit seinen Auswirkungen für Ungleichheiten und Unmut. Beides darf natürlich nicht sein. Nicht nur diejenigen, die gehen „dürfen“, erleben Elend, sondern auch die, die bleiben. Bleiben müssen.

(*) Und hier die Auflösung des Sternchens ganz oben im Artikel: Wir bleiben natürlich. Nichts ist gekündigt.

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Besim Karadeniz (bka), Jahrgang 1975, ist Autor und Erfinder von PF-BITS seit 2016. Er ist beruflich selbstständiger Web-Berater und -Entwickler. Neben PF-BITS betreut er mehrere weitere Online-Projekte und kann auf einen inzwischen über 25-jährigen Online-Erfahrungsschatz zurückblicken. Neben der technischen Betreuung von PF-BITS schreibt er regelmäßig Artikel und Kolumnen.