„Den Vernunftbegabten zuhören“

Professor Dr. Julian Nida-Rümelin im Studium Generale der Hochschule Pforzheim mit den Professorinnen Dr. Frauke Sander und Dr. Christa Wehner, sowie Hochschulrektor Ulrich Jautz (Foto: Hochschule Pforzheim/Axel Grehl)

Professor Dr. Julian Nida-Rümelin sorgt sich im Studium Generale der Hochschule Pforzheim um die Demokratie.

(Lesezeit: 3 Minuten)

Julian Nida-Rümelin präsentiert sich dem Publikum im Audimax der Hochschule Pforzheim als facettenreicher Feingeist. Er spricht als Philosoph, als politischer Redner und nicht zuletzt als Mensch und hinterlässt im vollen Saal bleibenden Eindruck. Wieder einmal hat das Studium Generale ein fettes Ausrufezeichen gesetzt. Wieder einmal haben die wissenschaftlichen Leiterinnen Gespür für drängende Fragen unserer Zeit – Antworten und Erläuterungen hat Nida-Rümelin im Gepäck. Denn der Titel seines Vortrags, „Cancel Culture – Ende der Aufklärung?“, gleichermaßen der Titel seines neuesten Buchs, beschreibt ein vieldiskutiertes Phänomen und ist zugleich herausfordernd in Bezug auf das Aushalten unterschiedlicher Meinungen. Genau das, so Nida-Rümelin, zeichne die demokratische Gesellschaft aus: diverse unterschiedliche Meinungen zuzulassen, ohne auszugrenzen. Er versteht seinen Ansatz als Plädoyer für eigenständiges Denken.

Nida-Rümelin weiß, wovon er spricht. Als Philosoph, vielbeachteter Autor, Professor und ehemaliger Kultur-Staatsminister, war sein ganzes Leben von Diskursen geprägt. Da, wo Diskurs nicht zugelassen werde, weil einzelne Meinungen nicht zugelassen würden, könne man das Phänomen der „Cancel Culture“ beobachten. Ein Reizwort für viele: Die einen praktizierten sie, wiesen aber jede Beschränkung anderer Meinungen dadurch zurück, da Zensur etwas sei, das nur Staaten anwenden würden. Die anderen, oftmals Konservative, kritisieren „Cancel Culture“ als eine Art „Sprachpolizei des linken Mainstreams“, so der Autor.

„Mit Neofaschisten diskutiere ich nicht“

Er selbst, Mitglied des Deutschen Ethikrats, setzt auf die Werte des Humanismus, um Demokratie zu erhalten, denn genau das liege ihm am Herzen. Dazu gehört, dass man mit fast jedem rede. „Nur mit Neofaschisten diskutiere ich nicht“, betont er „denn hier sind die grundlegenden Gemeinsamkeiten, die im Grundgesetz verankert sind, nicht mehr gegeben“. Ansonsten ist die Offenheit, sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen, der Schlüssel zum Erhalt unserer Gesellschaftsform. „Die Demokratie als Staatsform ist weltweit in einer Krise. Das bereitet mir große Sorge“, sagt Nida-Rümelin. Trotzdem glaubt er an die politische Urteilskraft der Bürger*innen – und deshalb müsse man keine Meinungen vor diesen fernhalten.

Die Verteidigung von Humanismus und Aufklärung gegen Intoleranz und das Unterdrücken anderer Meinungen sieht er als persönliche Aufgabe. Auch dass er den Menschen offensichtlich für ausreichend vernunftbegabt hält, um die Brandmauer gegen Rechtsextremismus aufrechtzuerhalten, die er noch intakt sieht, macht sein Vortrag deutlich. Sein Lohn: sehr langer und lauter Beifall vonseiten des Publikums. Die zahlreichen Fragen im Anschluss zeigen, dass das Thema die Gemüter erregt und bisweilen spaltet. Zum friedlichen Ende gehört, ganz gemäß Nida-Rümelins Ansatz, dass sich alle ausreden lassen und zuhören an diesem Abend.

Quelle(n): pm

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