Ärztliche Bereitschaftsdienste auf Reformkurs

Eine Kurzzusammenfassung der Lage zu den ärztlichen Bereitschaftsdiensten und den Reformen, die die Kassenärztliche Vereinigung plant.

(Lesezeit: 4 Minuten)

Dass man bei der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg nicht wüsste, wie man unangenehme Themen froh verpackt, kann immerhin niemand der Vereinigung vorwerfen. Was bereits seit einigen Tagen für kräftige Verstimmung im Land führt, nämlich ein regelrechter Kahlschlag in der bereitschaftsärztlichen Versorgung außerhalb der Praxiszeiten, verpackt die Kommunikationsabteilung in die froh klingende Überschrift „Ärztlicher Bereitschaftsdienst wird zukunftsfest“.

Was ist da eigentlich los? Ein paar Fragen und Antworten:

Um was geht es eigentlich? Bereitschaftsdienst? Notfalldienst? Notfallpraxis? Eine Begriffserklärung.

Faktisch bewegen sich alle drei Begriffe um ein zentrales Thema, nämlich der medizinischen Versorgung von Menschen außerhalb der Sprechzeiten. Die Versorgung richtet sich hierbei auf Krankheitsbilder, die nicht unbedingt notfallpflichtig sind, aber aufgrund der Schwere beim Patienten für Beschwerden sorgen, die nicht bis zum nächsten Praxistag warten können.

In Pforzheim und Enzkreis erfüllen diese medizinischen Versorgung die Notfallpraxen, die von der Pforzheimer Ärzteschaft (und auch von Ärzten aus dem Enzkreis) betrieben werden. Stationiert sind die beiden Praxen am Siloah St. Trudpert Klinikum und dem Krankenhaus Neuenbürg. Sie sind aber, obwohl sie in Kliniken eingerichtet sind, keine Einrichtung der Krankenhäuser, sondern der lokalen Ärzteschaft, die aus ihren Reihen den Bereitschaftsdienst stemmt.

Was ist das Thema?

Kurz gefasst ist es ein Personalproblem, weshalb die Kassenärztliche Vereinigung in den nächsten Jahren schrittweise eine Reorganisation begründet. Es wird damit gerechnet, dass viele Ärzte aus Altersgründen nicht mehr tätig sein werden und damit die bisher engmaschige Versorgung nicht mehr gewährleistet werden könnte.

Der Kahlschlag ist dabei durchaus spürbar: Von bisher 107 notfalldienstlichen Praxen sollen landesweit ab April 2025 bis in das Jahr 2026 schrittweise insgesamt 17 schließen, so dass nach der Reform 57 allgemeinärztliche und 32 fachärztliche Praxen bleiben, die dann zukünftig „Bereitschaftspraxen“ heißen sollen. Ziel soll es, so die Kassenärztliche Vereinigung, sein, dass in jedem Stadt- und Landkreis mindestens eine Praxis zur Verfügung stehen soll, die sich innerhalb von 30 bis 45 Minuten mit dem Auto erreichen lässt.

Betroffen von der Schließung wäre hierbei auch die Notfallpraxis in Neuenbürg, so dass in der Region zukünftig die Notfallpraxis im Siloah St. Trudpert verbleibt. Die bisher am Helios-Klinikum Pforzheim stationierte kinderfachärztliche Praxis soll von dieser Reform nicht betroffen sein.

Wie will die Kassenärztliche Vereinigung die Bereitschaft zukünftig sicherstellen?

Es beginnt schon mit reiner Kosmetik, nämlich einem Namenswechsel weg vom „Notfalldienst“ und hin zum „Bereitschaftsdienst“. Hier will man sich stärker von der Versorgung in Notaufnahmen von Krankenhäusern abgrenzen.

Weiteres Glied in der Kette soll eine stärkere telemedizinische Versorgung per Online-Sprechstunde sein, die bereits seit einiger Zeit mit dem Dienst „Docdirekt“ in Baden-Württemberg angeboten wird. Hier kann telefonisch oder per App ein Termin vereinbart werden, zu dem sich dann ein Arzt einwählt und mit dem Patienten kommuniziert.

Zusätzlich soll auch weiterhin ein Fahrdienst bestehen bleiben, der Patienten zu Hause besuchen kann, wenn diese immobil sind und ärztliche Behandlung benötigen.

Ein politisches Thema?

Durchaus, weshalb sich vor allem viele Abgeordnete und Amtsträger aus ländlichen Regionen warnend äußern. Darunter mehrere Landräte in einem gemeinsamen Brief, in dem sie die Befürchtung teilen, dass vor allem in der Peripherie die bereitschaftsärztliche Betreuung zukünftig leiden könnte.

Auch das baden-württembergische Gesundheitsministerium äußert sich hierzu, teilt aber grundsätzlich die Reformschritte. Wenn man die ambulante Regelversorgung dauerhaft sicherstellen wolle, brauche man eine Neustrukturierung der Bereitschaftsdienste. „, so Gesundheitsminister Manfred Lucha. Es sei „jetzt die Zeit, die Weichen zu stellen für eine zukunftsfeste Gesundheitsversorgung“ und man müssen „ehrlich sein zu den Bürgerinnen und Bürgern und ihnen reinen Wein einschenken“, dass es ohne Veränderungen angesichts knapper werdender personeller und finanzieller Ressourcen nicht mehr gehe.

Besim Karadeniz
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Besim Karadeniz (bka), Jahrgang 1975, ist Autor und Erfinder von PF-BITS seit 2016. Er ist beruflich selbstständiger Web-Berater und -Entwickler. Neben PF-BITS betreut er mehrere weitere Online-Projekte und kann auf einen inzwischen über 25-jährigen Online-Erfahrungsschatz zurückblicken. Neben der technischen Betreuung von PF-BITS schreibt er regelmäßig Artikel und Kolumnen und ist zuständig für den Kontakt zu Partnern und Autoren.