Flotte "Forderungen" nach "Umdenken beim Gedenken" rütteln gefährlich an demokratischen Grundfesten.
(Lesezeit: 3 Minuten)Mit ihrer Haltung, dass am 23. Februar in Pforzheim zukünftig nur noch das „offizielle Gedenken“ an die Bombardierung Pforzheims am 23. Februar 1945 stattfinden solle und keine Demonstrationen mehr, versucht die Pforzheimer Gemeinderatsfraktion der Freien Wähler und Unabhängigen Bürger, offenbar zeitlich passend gelegt, eine erstaunliche Diskussion vom Zaune zu brechen.
Außen vor gelassen wird bei diesem fromm klingenden Wunsch, der mit der griffigen Schlagzeile „Fraktion fordert Umdenken am Gedenktag 23. Februar“ überschrieben ist, dass es gar nicht um das offizielle Gedenken geht, das in Pforzheim Unruhe schafft. Und frech weggelassen wird auch noch, dass die eigentliche Ursache für die Scharmützel rund um den 23. Februar in der Vergangenheit eben nicht die Demonstration von „Linksextremen“, der Initiative gegen Rechts oder des Stadtjugendrings waren, sondern der unsägliche „Fackelaufmarsch“ von Rechtsextremen auf dem Wartberg.
Gerade bei diesem angeblich friedlichen Fackelaufmarschoffenbar ein Auge zudrücken zu wollen nach der Devise, dem Aufmarsch durch demonstrativem Wegschauen angeblich die Grundlage zu entziehen, ist eine trügerische Selbstlüge. Rechtsextremismus geht nicht weg, wenn man wegschaut und auch wenn der Gegenprotest in vergangenen Jahren teilweise aus dem Ruder gelaufen ist: Aktion und Reaktion muss man bei diesem Thema unbedingt getrennt betrachten und darf beides nicht einfach in einen Suppentopf werfen.
Wie dünn das Eis ist, auf dem sich die Fraktion hier bewegt, haben offensichtlich auch die Stadträte erkannt, in dem sie, leicht ungelenkig, ihrer Forderung schnell nachschicken, dass die Versammlungsfreiheit in Deutschland dennoch ein hohes Gut sei.
Stimmt genau. Und daher macht es für Stadträte, die fest auf demokratischen Boden stehend gesehen werden wollen, auch Sinn, die Probleme am 23. Februar nicht nur einseitig auf „Linksextreme“ zu fixieren, nur weil der Gegenprotest nun eben mal eben auch vornehmlich von Gruppierungen links der Mitte forciert werden. Der Versuch der Initiative gegen Rechts mit der Verschiebung ihrer Demonstration auf den 25. Februar hat da eben nicht nur den Grund, ausufernden Protest zu vermeiden, sondern auch andere Zielgruppen für den Protest gegen Rechts anzusprechen.
Keine dünnen Bretter, die hier zu bohren sind, aber das wäre eine gute Gelegenheit, nicht nur flotte, dem fast fanatisch gepflegten Zeitgeist der Linkenfeindlichkeit entsprechende Worte in die Medien zu platzieren, in der Hoffnung dass keiner das trübe Spiel erkennt (was hier bei uns nicht gelungen ist), sondern mit echter Kreativität und Ernsthaftigkeit ein ganzheitliches und modernes Gedenken an Pforzheims Schicksalstag zu entwickeln. Etwas, was die Stadtverwaltung auch nach vielen Jahren immer noch vermissen lässt.