Eine Reihe von Veranstaltungen und Aufzügen am Gedenktag. Polizei mit 800 Beamten im Einsatz, weitgehend ruhiger Verlauf.
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Zentrale Gedenkfeier am Hauptfriedhof
Bei der zentralen Gedenkfeier anlässlich der Zerstörung Pforzheims am 23. Februar 1945 hat Oberbürgermeister Peter Boch in seiner Rede vor rund 250 Teilnehmern an all diejenigen erinnert, „die im Bombenhagel und Feuersturm zu Tode kamen“ sowie den „viel zu vielen Menschen, die im Zweiten Weltkrieg Ähnliches erlitten haben“. Der Tag, an dem in nur 20 Minuten das Leben von einem Viertel der Pforzheimerinnen und Pforzheimer ausgelöscht wurde, jährt sich heute zum 73. Mal.
„Gedenken mehr als 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs darf kein Selbstzweck sein, sondern muss Anknüpfungspunkte an die Gegenwart haben, sonst wird es einschlafen“, so der Rathauschef weiter. Das Gedenken solle jedoch nicht instrumentalisiert werden. Das stelle eine Gefahr für ein friedliches Zusammenleben in einer demokratischen Gesellschaft dar. Erwachse aus dem Gedenken jedoch Verantwortung, werde „das Gedenken zu einer verbindenden Kraft, die selbst aus der schrecklichen Erfahrung von Krieg und Leid, die nur Tod und Vernichtung bedeutete, etwas entstehen lassen kann, das Zukunft und Hoffnung bringt“. Der Oberbürgermeister betonte: „Es ist an uns, das Erinnern an den 23. Februar 1945 wachzuhalten, damit wir nicht blind in die Zukunft gehen, sondern wissen, woher wir kommen.“
Im Anschluss erfolgte die Kranzniederlegung. Dekanin Christiane Quincke von der Evangelischen Kirche und Pfarrer Georg Lichtenberger von der Katholische Kirche sprachen Worte des Gedenkens und ein Gebet.
Im Rahmen der Gedenkfeier wurde das Wandernagelkreuz an Vertreter der evangelischen Partnergemeinde der Stadtkirchengemeinde Pforzheim aus Michendorf-Wildenbruch übergeben. Musikalisch umrahmt wurde die Gedenkfeier durch Choräle der Bläsergruppe des Feuerwehr-Musikzuges Pforzheim unter der Leitung von Dr. Bernd Windelband. Wie jedes Jahr nahm an dem Gedenken auch eine Delegation aus Pforzheims Partnerstadt Gernika teil.
Weiterführender Link:
- Die Worte von Christiane Quincke können Sie auf ihrem Blog nachlesen: Wir wissen nicht, wohin wir fliehen sollen
Kundgebung und „Lichtermeer“ auf dem Marktplatz
Rund 400 Menschen fanden sich am Abend auf dem Marktplatz ein, um dort an der Kundgebung der Stadt und dem „Lichtermeer“ teilzunehmen. Zwischen 19:50 Uhr und 20:10 Uhr – der Zeitraum der Bombardierung am 23. Februar 1945 – entzündeten Teilnehmer Kerzen, um damit ein Meer aus Lichtern zur bilden.
Dekanin Christiane Quincke sagte in ihrer einleitenden Rede, dass „Frieden und Versöhnung leider immer noch nicht selbstverständlich“ seien. Dass alles dafür getan werden müsse, um Frieden zu erhalten und zu leben, werde an so Gedenktagen besonders deutlich. Deshalb sei man da, um ein Zeichen zu setzen gegen Krieg und Gewalt, gegen Hass und Ausgrenzung und für „gegenseitige Achtung und gegenseitigen Respekt, für die Würde aller Menschen, für die Würde der Toten und der Lebenden“.
Besondere Redebeiträge steuerten Mirzeta Haug und Eyas Elias bei, die beide als Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien respektive aus dem Irak nach Pforzheim kamen. Bis kurz vor der Kundgebung standen die Redebeiträge noch auf der Kippe, da offenbar von Seiten der Organisatoren von der Stadt beabsichtigt war, deren Redebeiträge zu streichen. Erst nach Intervention durch den Arbeitskreis 23. Februar wurden die Redebeiträge wieder in das Programm genommen.
Haug flüchtete Mitte der Neunziger Jahre mit ihrer Familie im Zuge des Jugoslawien-Krieges. „Damals war ich elf Jahre alt und hatte schon erfahren wie es ist und wie es sich anfühlt, aufgrund seiner Religion, seiner Weltanschauung und einfach nur aufgrund dessen, dass man ist, wer man ist, verfolgt zu werden und der Gefahr einer ethnischen Säuberung ausgesetzt zu sein“, so Haug. In Pforzheim konnte sie mit ihrer Familie ein neues Leben in Sicherheit und Frieden beginnen. Sie sei Pforzheim sehr verbunden, weil sie hier Menschen kennenlernte, die ihr und ihrer Familie das Gefühl haben, „dass wir das was wir sind auch sein dürfen.“
Ein ähnliches Schicksal berichtete Eyas Elias in seinem Redebeitrag. Der 28 Jahre alte Iraker kannte von Geburt an nichts anderes als Krieg: „Ich bin in einem Kriegszustand geboren, in einem Kriegszustand aufgewachsen und bis zu meiner Flucht aus dem Irak hatte sich die Lage nicht gebessert.“ Erst mit 25 Jahren hatte er „das Glück, den Frieden kennenzulernen, hier in Pforzheim“. Pforzheim habe nun seit über 73 Jahre Friedenserfahrung, das ist nicht selbstverständlich und darauf könne Pforzheim und Deutschland stolz sein. „Wir neu Zugewanderte“, so Elias weiter, „möchten gerne von dieser Erfahrung schöpfen und hoffen, dass wir gemeinsam noch unendlich viele weitere Jahre in Frieden gestalten können. Dies ist nicht immer der einfachste Weg, aber es ist der einzig richtige Weg. Lassen Sie uns gemeinsam auch in Zukunft für den Frieden kämpfen!“
Oberbürgermeister Peter Boch hatte in seiner Rede auf der Markplatzbühne an alle, „die an diesem Abend auf so grausame Weise ihr Leben verloren“ haben, erinnert. Die Stadt wisse, was Krieg und nahezu vollständige Vernichtung bedeute, weshalb es unsere Aufgabe sei, die Erinnerung daran wachzuhalten und weiterzugeben, damit nicht in Vergessenheit gerate, „wohin Nationalsozialismus, Hass, Abschottung, Unterdrückung und Krieg führen“. „Das waren nie und werden nie die richtigen Antworten auf gesellschaftliche Probleme sein, egal auf welcher Ebene“, so der Rathauschef weiter.
Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Frieden, Solidarität, Zusammenarbeit, Versöhnung und Toleranz seien die Stützpfeiler, auf denen Pforzheim und die Bundesrepublik Deutschland nach dem Krieg wiederaufgebaut wurden und für 73 Jahre Frieden verantwortlich seien.
Eine deutliche Botschaft solle an jene gesendet werden, die ihr verzerrtes und unmenschliches Geschichts- und Weltbild im Fackelschein pflegen wollte oder vermummt als schwarzer Mob die Auseinandersetzung mit der Polizei suchte: „Wir wollen generell niemanden in Pforzheim haben, der die freiheitlich – demokratische Grundordnung ablehnt.“
Den Abschluss der Veranstaltung bildete der gemeinsame Segen der verschiedenen Religionen gegen 20.10 Uhr.
Versammlungen und Demonstrationszüge
Die Versammlung und der Demozug der „Initiative gegen Rechts“, die gegen 18 Uhr vom Platz der Synagoge aus startete und gegen 18:50 Uhr am Marktplatz endete, zählte rund 150 Personen.
Ein Demonstrationszug der „Antifa“ wurde um 18.25 Uhr mit etwa 220 Teilnehmern am Bahnhof gestartet und erhöhte sich im weiteren Verlauf auf etwa 300 Personen. Hierzu gesellte sich auch ein Dutzend Kurden, die „Öcalan-Fahnen“ zeigten. Unterwegs nutzten die Demonstranten entgegen der Auflagen beide Fahrspuren der Heinrich-Wieland-Allee. Daher musste der Verkehr kurzfristig in dem Bereich gesperrt werden. Der Veranstalter beendete die Veranstaltung schließlich gegen 18.50 Uhr beim Café Hasenmayer.
Die Fackelmahnwache des „Freundeskreis – Ein Herz für Deutschland“ wurde zwischen 19:40 und 20:10 Uhr unter starkem Polizeischutz auf dem Wartberg weithin sichtbar abgehalten.
An den zum Schutz dieser Versammlung rund um den Wartberg errichteten Absperrungen der Polizei fanden sich ab 18.45 Uhr nach und nach bis zu 200, vorwiegend dem linken Spektrum zuzurechnende Demonstranten ein. Während der Fackelmahnwache wurde im Bereich des Wartbergs Pyrotechnik abgebrannt und bereits im Vorfeld war unterhalb des Wartbergplateaus ein Scheinwerfer zerstört worden. Zwei Beamte und zwei Diensthunde sind durch abgebrannte pyrotechnische Gegenstände leicht verletzt worden. Durch gezielte Böllerwürfe wurden fünf weitere Polizisten gefährdet. Gegen zwei Tatverdächtige wird daher wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Mehrfach mussten die Versammlungsteilnehmer unter Einsatz der Antikonfliktteams der Polizei aufgefordert werden, solche Verstöße zu unterlassen. Weitere Störungen blieben danach aus.
Gegen 20.10 Uhr bildete sich aus dem linksgerichteten Personenkreis vor den Sperren auf dem Wartberg eine Spontanversammlung mit etwa 150 teils vermummten Personen, die sich über die Heinrich-Wieland-Allee zum Bahnhof in Bewegung setzte. Zu Störungen seitens dieser Personengruppe war es bis zur Abreise mit diversen Bahnen nicht gekommen.
Am Ende bilanziert Einsatzleiter Ralf Gerber: „Unser Sicherheitskonzept mit den insgesamt knapp 800 eingesetzten Beamten hat sich sehr bewährt. Ganz überwiegend haben sich die Teilnehmer der Veranstaltungen besonnen und diszipliniert verhalten, so dass wir aus polizeilicher Sicht auf einen friedlichen Verlauf zurückblicken dürfen.“
Hinweis in eigener Sache: Die PF-BITS-Redaktion konnte krankheitsbedingt an keinem dieser Veranstaltungen selbst teilnehmen. Daher sind die Inhalte dieses Textes aus Pressemitteilungen und Redebeiträgen nachträglich zusammengestellt. Wir sind uns darüber bewusst und haben diesen Artikel daher betont sachlich an den uns übermittelten Informationen gehalten, die möglicherweise nicht alle Aspekte der Veranstaltungen beinhalten. Wir bitten das zu berücksichtigen.
Quelle(n): pm